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Berlin: Immer in Bewegung bleiben

Auf dem Bundespresseball nachts ums halb drei: zwischen Smalltalk und kleinem Imbiss

Der Bundespräsident ging nachts um eins, da sang der Stargast Jamie Cullum noch, hatte aber seine ballverträglichste Nummer, eine wilde Blues-Version des Klassikers „I Could Have Danced All Night“ schon verfeuert. Ja, manche Stammgäste hätten auch gern zu Ohrwürmern aus der Schlagerkiste getanzt. Der viel zitierte Udo Jürgens hat einst eine wohl kaum zu nehmende Latte gesetzt.

Zuvor hatten Horst Köhler und seine elegant in Schwarz gekleidete Frau Eva Luise bereits eine Stunde, nachdem der Bundespresseball im Interconti eröffnet war, den Ehrentisch mal verlassen, ausnahmsweise nicht Richtung Tanzfläche. Händchen haltend flanierten sie durchs Foyer und gaben den begierig wartenden Fernsehsendern Interviews, Phoenix, N24, RBB... . Auch andere Gäste flüchteten in der bis Samstag früh dauernden Ballnacht kurzfristig aus dem großen Saal. Der war zwar fantastisch ganz in Weiß dekoriert, aber die Tischdekos, Eisblocks mit gefrorenen Orchideen drin, verlangten so kühle Temperaturen, dass einige Männer, die auf anderen Tanzflächen ins Schwitzen geraten waren, sich hierher zum Auskühlen zurückzogen.

In Bewegung zu bleiben, wird freilich immer beliebter. Wer statt des Sitzplatzes für 520 Euro eine Flanierkarte für 300 Euro besaß, konnte grüßend und plaudernd an delikat beladenen Büfetts vorbei von Tanzfläche zu Tanzfläche surfen, während im Saal die Musik streckenweise ganz verstummte und man Glück mit den Tischnachbarn haben musste, um festsitzend das exquisite viergängige Menü gut gelaunt zu genießen.

Es war ein unaufgeregter Ball, bei dem die oft abseits vom Rampenlicht arbeitenden Journalisten und Politiker die Hauptrolle spielten. Die strenge Abstinenz von bunteren Gästen ließ gerade noch die Schauspieler Mario Adorf und Veronica Ferres zu. Ob die Bundeskanzlerin wieder wegen ihres Mannes nicht gekommen ist, war ein Small-Talk-Thema, auf das die am Ende verteilte Ballzeitung eine lustige Antwort fand. Danach war Joachim Sauer von seiner Frau zum Datschenwochenende verdonnert worden, obwohl er solche Lust aufs Austernbüfett gehabt hätte. Dass Klaus Wowereit so provozierend offensiv einer Verabredung mit Karl Lagerfeld den Vorzug gegeben hatte, fanden einige Gäste und Mitarbeiter unnötig zickig. Die großmütige Alice Schwarzer erinnerte sich immerhin an einen tollen Tänzer und vermisste ihn ebenfalls: „In dieser Funktion.“

Nicht nur wegen schwänzender Politstars war es luftiger als sonst. Erstmals tanzten viele der 2500 Gäste auch in dem neuen Pavillon aus Glas und Stahl, der die zur Verfügung stehende Fläche um 750 Quadratmeter vergrößerte. Mit einer tollen Light-Show und einer fetten Bar ausgestattet, kam durch diesen Ort ein junger Akzent von Clubbing hinzu, der sehr gut angenommen wurde.

Die Roben, oft schwarz oder rot, waren elegant, aber nicht exaltiert. Inzwischen hat der Bundespresseball seine Flughöhe erreicht. Das macht ihn ein bisschen langweiliger als in den Jahren nach dem großen Umzug, aber fürs Fachpublikum, darunter neun Minister und drei Ministerpräsidenten, nicht weniger vergnüglich.

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