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Berlin: Immer mehr Lehrer sind krank

Wegen fehlenden Personals lässt sich Unterrichtsausfall nicht mehr ausgleichen

In Berlin fällt immer mehr Unterricht aus. Etliche Schulen berichten, dass ihnen jeder fünfte Lehrer fehlt. Zu den jahreszeitlich bedingten Krankheiten komme noch der Stress, der durch die „Reformhektik“ entstanden sei, erklärt CDU-Bildungsexperte Gerhard Schmid die Ausfälle. Da viele Kollegien das Schuljahr ohne Vertretungsreserve beginnen mussten, könnten sie die Fehlstunden nicht ausgleichen. Allein an der Hermsdorfer Carl-Benz-Realschule konnten seit Oktober rund 750 Stunden nicht regulär erteilt werden, berichtet die Gesamtelternvertreterin. Nur rund die Hälfte der Stunden sei von Vertretungslehrern erteilt worden. Zeitweise seien zehn von 30 Kräften erkrankt.

Ähnlich steht es an der Borsigwalder Grundschule aus. Hier sind vier Lehrer dauerhaft erkrankt. Nachdem neun Lehrer von anderen Schulen stundenweise abgeordnet wurden, sank die Zahl der Fehlstunden von 130 auf 90, berichtet die Elternvertretung. Inzwischen würden aber auch die Vertretungskräfte krank.

Besonders schlimm trifft es kleine Schulen. So sind an der Emanuel-Lasker-Realschule in Friedrichshain fünf von 25 Lehrern krank. Obwohl Mehrarbeit verordnet, Teilungsunterricht aufgehoben und Arbeitsgruppen aufgelöst wurden, konnten nicht alle Stunden der erkrankten Lehrer vertreten werden, bedauert Schulleiter Thomas Herold. „Die vielen Reformen führen dazu, dass die Kollegen das Gefühl haben, es nicht mehr schaffen zu können“, beschreibt er die Stimmung. Allein die Korrektur der neuen freiwilligen Vergleichsarbeiten in den neunten Klassen habe 45 Stunden pro Klasse gedauert. Hinzu kämen die anderen Reformen dieses Schuljahres. Aus der Wittenauer Max-Eyth-Realschule heißt es, man gebe „Vertretungsstunden bis an die Grenze der Erschöpfung“. Das führe dazu, dass auch „die Fittesten krank werden“, sagt Schulleiter Mathias Glöckner.

Einige Schulräte lassen sich viel einfallen, um die wenigen Lehrer optimal einzusetzen. So fährt eine Lehrerin des Reinickendorfer Friedrich-Engels-Gymnasiums morgens in die Wittenauer Peter-Witte- Grundschule, um einer dritten Klasse das Rechnen beizubringen. Insgesamt übernimmt sie zehn Stunden von 14, die vakant sind. Der Rest ist Improvisation. „Jede Erkrankung reißt ein Loch“, sagt Schulleiterin Annelie Leukert. Alle drei Tage müsse ein neuer Stundenplan her, weil die überwiegend älteren Lehrer infolge der Belastungen und des Reformdrucks eben häufiger krank würden. Am Reinickendorfer Berta-von-Suttner-Gymnasium sollen mitten im Schuljahr die sechsten Klassen zusammengelegt werden, weil die Personaldecke so dünn ist.

Wie sich diese Zahlen mit der vom Finanzsenator diagnostizierten „Überversorgung“ der Schulen vertragen, ist unklar. Die Bildungsverwaltung wartet jetzt auf die aktuelle Statistik. Dass der Krankenstand durch den Reformdruck verstärkt werde, wird dort bestritten: Im November seien nicht mehr Lehrer dauerkrank gewesen als sonst. Ob die Krankenrate an den Schulen höher ist als in anderen Bereichen der öffentlichen Verwaltung, lasse sich nicht sagen, bedauert Udo Rienaß, Abteilungsleiter in der Innenbehörde. Erst im nächsten Jahr sollen solche Vergleiche möglich sein, weil bis dahin die Erhebungen der Behörden vereinheitlicht werden.

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