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Berlin: „Immer viel gearbeitet, nie viel verdient“ Peter Nicksch (64), Karosseriebaumeister

Was er hat: 730 Euro Rente. Er zahlte bisher 500 Euro Werkstattmiete Was er daraus macht: Seit drei Jahren nutzt er die Werkräume nur noch privat.

Was er hat: 730 Euro Rente. Er zahlte bisher 500 Euro Werkstattmiete

Was er daraus macht: Seit drei Jahren nutzt er die Werkräume nur noch privat.

Was er will: Auf die Malediven. Aber erst, wenn der Nachmieter eingezogen ist und alle Maschinen und Werkzeuge verkauft sind.

Mit einer kurzen Handbewegung wischt er den Staub von der Werkbank, nimmt das Fotoalbum aus der Plastiktüte und sagt: „Das ist mein Leben.“ Und sein Leben, das ist seine Werkstatt, dokumentiert von seiner Familie. „Für unseren lieben Papa und Opa“, mit krakeliger Kinderschrift daraufgeschrieben.

Weimarer Republik, Drittes Reich, Stasi – das alles hat die „Karosseriebau & Stellmacherei seit 1910“, wie es schlicht auf dem Schild am Vorderhaus heißt, überlebt. Jetzt ist die Stellmacherei, in der einst Kutschen gezimmert, später Anhänger gefertigt, zuletzt Oldtimer, Türen, Fenster – einfach alles – repariert wurden, schon drei Jahre geschlossen, das Gewerbe abgemeldet.

Drei Jahre, in denen Peter Nicksch Tag für Tag kommt, im zweiten Hinterhof Schrauben von 1910 sortiert, Maschinen von 1930 entstaubt, einen Schrank für die Tochter, eine Spielzeugkiste für den Enkel zimmert – drei Jahre, in denen er vor allem auf eines hofft: Auf einen Nachfolger, der den Familienbetrieb fortführt. „Hin und wieder hat die Handwerkskammer Interessenten geschickt. Wenn sie gehört haben, dass ich 14 Stunden am Tag arbeite, waren sie ganz schnell wieder weg.“

Hier in Berlin-Friedrichshain, in dem Haus, in dem er geboren und aufgewachsen ist, hat er die Werkstatt 1977 von seinem Vater übernommen. „Meine Arbeit hat für die gesamte DDR gereicht.“ Produziert hat er Anhänger für den Robur-Bus. Nach der Wende fiel der Robur-Bus weg und kaum noch Arbeit an.

Seit November ist der Nachbar mit der Nachtbar der neue Mieter. Eigentlich müsste Peter Nicksch erleichtert sein. Nun hat er 500 Euro mehr im Monat. 500 Euro, die die Werkstatt in den letzten drei Jahren von seinen 730 Euro Rente gefressen hat.

Aber Nicksch rechnet anders: „Ich habe immer mindestens den halben Monat arbeiten müssen, um die Unkosten zu decken.“ Lange überlegt er, was er mit dem Geld anfangen könnte: „Irgendwann mal auf die Malediven zum Tauchen, aber erst, wenn die Arbeit getan ist.“

Und die hat angefangen, seit er die Werkstatt räumen muss. Hobel, Schleifmaschinen, Kutschdächer, Ackerräder zum Teil noch von seinem Urgroßvater – all das will er im Internet versteigern. Jahre wird er damit zubringen können. Und noch viele Seiten in seinem Album füllen. Vielleicht wird es danach irgendwann einmal ein zweites Kapitel geben, eines, das Malediven heißt.

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