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Immobilienmarkt-Experte Andreas Schulten: „Mietpreisbremse ändert nichts daran, dass Wohnungen fehlen“

Am heutigen 1. Juni tritt in Berlin die Mietpreisbremse in Kraft. Was das für den Immobilienmarkt der Hauptstadt bedeutet, erklärt Andreas Schulten, Vorstandsmitglied des Analyse-Unternehmens Bulwiengesa.

Herr Schulten, führt die Mietpreisbremse dazu, dass die Immobilienpreise in Berlin sinken werden, weil Vermieter jetzt nicht mehr so viel verdienen können? 

Nein. Die Mietpreisbremse deckelt zwar die Mietsteigerungen, schließt aber nicht aus, dass Eigentümer ihre Wohnungen nach wie vor zu einem höheren Preis weiterverkaufen können. Ein regulierter Mietwohnungsmarkt führt, wie etwa in Schweden, eher zu einem überproportional teuren Markt für Eigentumswohnungen. 

Also verpufft die Mietpreisbremse auf dem Immobilienmarkt? 

Ja. Auf dem Immobilienmarkt ist sie ein Sturm im Wasserglas. Eigentümer werden ihre Wohnungen nicht verkaufen, weil es jetzt die Mietpreisbremse gibt. Und Geringverdiener,  alleinerziehende Mütter oder Migranten werden auch weiterhin große Probleme bei der Wohnungssuche haben, trotz der Mietpreisbremse. Die Vermieter suchen sich Mieter mit guter Bonität aus, da fallen diese Gruppen durch das Raster.

Sind die Mieten denn nicht wichtig, wenn man den Wert einer Immobilie berechnet?

Freundlich begrüßt - Auftakt für ein gutes Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter.
Freundlich begrüßt - Auftakt für ein gutes Verhältnis zwischen Vermieter und Mieter.

© Sven Hoppe/dpa

Ja, doch. Die Mieten sind so etwas wie eine Dividende. Und die fällt jetzt halt knapper aus. Der Wert der Wohnungen steigt angesichts des hohen Anlageinteresses dennoch weiter. Wir haben einen hohen Bedarf an Wohnungen und die Mietpreisbremse ändert nichts daran, dass Wohnungen fehlen. Nur wenn ausreichend neue Wohnungen gebaut werden würden, würde sich der Immobilienmarkt wirklich beruhigen. 

Ist der Berliner Immobilienmarkt überhitzt?

Aus volkswirtschaftlicher Sicht nicht. Berlin verzeichnet einen enormen Zuzug und hat eine gute ökonomische Entwicklung. In den letzten fünf Jahren sind 120.000 neue Jobs entstanden, überwiegend für Leute, die sich Immobilien leisten können. Die Preise sind gestiegen, aber es handelt sich nicht um eine Blase. Die Entwicklung hat nichts Künstliches, die Nachfrage ist einerseits aus regionalwirtschaftlichen Gründen hoch. Andererseits  wollen die Leute ihr Geld in Immobilien anlegen, weil festverzinsliche Wertpapiere nichts abwerfen. Eine Blasengefahr besteht, wenn überhaupt, aus dem Rendite-Spread der durch die Niedrigzinspolitik der EZB entsteht.

In einigen Lagen haben wir aber bereits enorme Preissteigerungen. 

Das stimmt. Da wird dann das 30- oder 35-Fache einer Jahresmiete verlangt, das ist viel. So etwas gibt es in den Seitenstraßen des Ku’damms oder in Mitte, hinter dem Hackeschen Markt. Aber das sind Einzelphänomene. In München sind viel größere Bereiche betroffen, und das schon seit vielen Jahren. In Berlin sind die Preise da besonders hoch, wo sich Fonds, ausländische Investoren und vermögende Familien um dieselben Objekte schlagen. Sie müssen aber auch sehen, dass es in Deutschland von 1993 bis 2003 so gut wie keine Preis- und Mietentwicklung bei Wohnungengegeben hat. Überall woanders, in Spanien, den USA, Irland, Frankreich oder Großbritannien sind die Wohnungspreise bereits früher enorm stark angestiegen und damit auch die Mieten. In Deutschland gibt es diesen Trend erst seit rund fünf Jahren. Wir haben hier einen Nachholbedarf. Das ist auch der ökonomischen Stärke Deutschlands geschuldet. 

Woher kommen die ausländischen Investoren, die in Berlin kaufen? 

Das sind meist angelsächsische Investoren, das Kapital kommt aus London oder New York. Globale Kapitalsammelstellen bilden die größte Käufergruppe. Mittlerweile kommen viele Anleger aber auch aus dem Nahen Osten, aus Israel oder Saudi-Arabien. Und nach wie vor sind auch Investoren aus der EU stark, etwa aus Dänemark oder Schweden. Was wir noch nicht sehen, aber erwarten, sind die Chinesen. Die sind in London und Paris schon kräftig unterwegs. 

Woran liegt das? 

An den fehlenden Direktflügen. 

Aber von Frankfurt aus kommt man doch gut nach Peking. 

Ja, und in Frankfurt gibt es auch deutlich mehr chinesische Investoren.

Andreas Schulten ist Vorstandsmitglied von Bulwiengesa. Das Unternehmen analysiert Immobilienmärkte.

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