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Berlin: In Berlin noch weltberühmter

Sein Idol war Frank Sinatra, er liebte New York. Doch auf die Frage, ob er gern woanders wäre als in seiner Heimat, sagte Harald Juhnke: „Nee, natürlich nich!“

Harald Juhnke? Sorry, aber von dem habe sie noch nie gehört. Tina Sinatra schüttelte nur den Kopf. Das heißt, an diesem Interviewnachmittag im letzten Oktober war sie natürlich schon von vielen Berliner Journalisten nach dem Mann gefragt worden, der als der deutsche Sinatra, gewissermaßen die Spree-Ausgabe ihres Vaters Frank Sinatra, gelte, der zwei von dessen berühmtesten Songs, „My Way“ und „New York, New York“ wieder und wieder interpretiert habe, bis sie fast zu seinen eigenen wurden. Aber nein, es tue ihr Leid, von diesem Harald Juhnke wisse sie sonst nichts.

Was hätte Juhnke selbst wohl dazu gesagt, dass er der Tochter seines großen amerikanischen Vorbilds nur ein unbekannter deutscher Entertainer blieb? Nun, vielleicht etwas wehmütig geseufzt und dann aus seiner Autobiografie „Meine sieben Leben“ zitiert, in der er sich ein Bonmot des Regisseurs Ernst Lubitsch anverwandelte: „In Deutschland bin ich weltberühmt. In Berlin noch weltberühmter.“ Und wenn der Ausflug nach Amerika ihm auch nie geglückt ist – es war ja nicht so, dass er sich immer nur nach New York, New York verzehrte. Eine Stadt zum Träumen, gewiss, aber dort wohnen? Der Mittelpunkt seines Lebens, die Stadt, aus der er stammte, in der er lebte und arbeitete, die wohl auch die Quelle war für seine nonchalante bis leicht schnodderige Version des Entertainments – diese Stadt war doch Berlin.

„Gibt es einen Ort, an dem Sie jetzt lieber wären als hier in Berlin?“, fragte der Tagesspiegel 1998 Juhnke und andere Prominente der Stadt. Seine Antwort kam wie erwartet, nichts anderes wäre akzeptabel gewesen: „Nee, natürlich nich!“ Er stammte sogar aus Berlin, was man ja nicht von allen, die als Original-Berliner galten, sagen konnte. Am 10. Juni 1929 wurde Juhnke, Sohn eines Polizeibeamten und seiner Frau, in Wedding-Gesundbrunnen geboren. Sein Kommen hatte er ein wenig zu früh angekündigt, wie er gerne zum Besten gab. Die hochschwangere Mutter wollte unbedingt noch Fritz Kortner als Richard III. auf der Bühne sehen, doch setzten ausgerechnet während der Vorstellung die Wehen ein, und sie musste fluchtartig das Theater verlassen. In der Frühe des nächsten Tages ist Klein-Harald dann zur Welt gekommen.

Damals hieß er freilich noch anders. Harry Heinz Herbert, so stand es in der Geburtsurkunde. Den Rufnamen Harry hatte ihm der Vater aus Verehrung für den damals berühmten Filmstar Harry Piel ausgesucht – binnen kurzem der zweite Kontakt des Jung-Berliners zur Welt der Schauspielerei. Anfangs schien der Lebensweg aber in eine andere Richtung zu führen. Kurz vor Kriegsende kam er als Hitlerjunge noch an die Front, trieb sich danach auf dem Schwarzmarkt der Stadt herum, wollte, wie er in einem Tagesspiegel-Interview erzählte, „das Abitur kaufen für 150 Mark“, war sogar auf dem besten Wege, „Barbesitzer zu werden“. Der Schauspieler Joe Herbst („Die Halbstarken“) überzeugte ihn aber, dass Schauspielunterricht besser sei.

Am 9. November 1948 war es so- weit: Zum ersten Mal stand Harald Juhnke auf der Theaterbühne, im Haus der Kultur der Sowjetunion, dem heutigen Maxim-Gorki-Theater, als russischer Offizier in dem Stück „Ljubow Jarowaja“. Dort hatte er 1996 mit Katharina Thalbachs Inszenierung von Zuckmayers „Der Hauptmann von Köpenick“ einen seiner größten Erfolge, und natürlich dort wurde 1998 auch das Bühnenjubiläum des Schauspielers gefeiert. Drei Jahre blieben ihm da noch, bis er im Dämmer der Demenzerkrankung versank.

Die jahrzehntelangen Alkohol-Eskapaden, die letztlich dazu führten, haben nicht alle in Berlin stattgefunden, aber die Stadt war auch hier der Mittelpunkt seines Lebens. Schon die ersten Tagesspiegel-Berichte über den Schauspieler drehten sich um sein Leben als berühmtester Trunkenbold der Stadt, in der er eben nicht nur von Bühne zu Bühne zog, sondern danach (und leider allzu oft auch davor) von Bar zu Bar. Auch vor der Kamera war Juhnke Berlin eng verbunden, ja teilweise geradezu ein Wahrzeichen wie in „Drei Damen vom Grill“, an der Seite von Günter Pfitzmann und Brigitte Mira, die vor wenigen Wochen starb.

Dass seine vertorkelten Auftritte, geschmissenen Proben und wodkaseligen Pöbeleien zu seiner Medienpräsenz beitrugen, wusste Juhnke natürlich und hat damit auch bewusst gespielt, hielt es hier mit Hans Albers, der mal gesagt habe: „Unwichtig, was sie schreiben. Hauptsache, sie schreiben, und der Name ist richtig geschrieben.“ Juhnke ohne H zum Beispiel, das wäre nicht gut. Und was seine Popularität beim Publikum betraf, so hat sie Harald Juhnke selbst trefflich beschrieben: „Ich bin der Onkel Fritz, den es in beinahe jeder deutschen Familie gibt. Einer, der furchtbare Sachen macht, der säuft und Weibergeschichten hat. Den aber trotzdem alle lieben, weil, wenn er kommt, ist immer was los.“

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