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Berlin: In der Goldfischglaskugel

Frank Henkel erkundet Berlins Zukunft mit einem Lenkungsrat, den er selbst lenken will.

Den Helmut-Schmidt-Einwand hat Frank Henkel schon vorab entkräftet. Wegen Visionen zum Arzt gehen? Darüber könne er „nur schmunzeln“, sagt der CDU-Landeschef in der Sonderausgabe der „Berliner Rundschau“, „wer sich über die Zukunft unserer Stadt Gedanken macht, muss sich an keinen Arzt oder Apotheker wenden, sondern kann gerne mit seiner Idee zu uns kommen“. Folglich heißt auch das gesamte Projekt „Berlinvision 21“: Die Berliner CDU möchte in den kommenden 15 Monaten vor lauter Bürgerdialog und Zukunftsfreude schier platzen und über die reine Wahlkampfprogrammatik weit hinausgreifen. „Das bedeutet“, sagt Henkel, „dass wir dicke Bretter bohren müssen.“

Für die Optimierung dieses Vorgangs hat er zusammen mit seinem Generalsekretär Kai Wegner nicht nur einen fünfköpfigen Lenkungsrat berufen, sondern selbst auch gleich dessen Lenkung übernommen. Für die großen Linien und Entwürfe zuständig ist Michael Borchardt, Hauptabteilungsleiter in der Konrad-Adenauer-Stiftung, den weiten Bereich der Kommunikation und Diagnostik deckt der Wahlforscher Wolfgang Gibowski ab, der Unternehmer Marc Wohlrabe soll sich mit Fragen der Stadtentwicklung beschäftigen, Gonca Türkeli-Dehnert aus dem Stab der Bundes-Migrationsbeauftragen nimmt sich der Integration an, und Heike Maria von Joest, die Vorsitzende der Bürgerstiftung und Unicef-Prüferin, trägt eine weite Verantwortung für Fragen der Arbeit und Kultur – sie ist als Einzige in der Runde nicht Mitglied der CDU.

Zur Vorstellung dieses Programms und der tragenden Personen hatte Henkel die Presse eigens auf den Fernsehturm gebeten, der den Blick auf ein ziemlich vernebeltes Berlin freigab. Von dort oben soll nun eine Dialoglawine zunächst die Bürger und dann auch die CDU erfassen. „Fragen, Reden, Antworten“ seien die drei Phasen, sagte Henkel; von jetzt an bis zum Sommer werde ausschließlich gefragt, nämlich nach den Visionen der Bürger. Dann folge der Dialog, der auch die Partei bis zum letzten Mitglied erfassen solle, und dann werde abschließend ein Landesparteitag alles auswerten und zu langfristigen Perspektiven weit über ein einfaches Programm hinaus verdichten.

Damit keine Bürgervision verloren geht, knattert nun ein Videomobil in die Stadt, ein dreirädriger italienischer „Ape“-Transporter, der keinen Bezirk auslassen und jeweils 21-sekündige Äußerungen einfangen soll; wer hier nicht zu Wort kommt, der kann zumindest per Internet zehn Grundsatzfragen nach seinem persönlichen Wohlbefinden beantworten. Man wolle aus der reinen Sender- zur Sender-Empfänger-Position vordringen, erläuterte Borchardt, „es mag Ihnen nicht so innovativ vorkommen, mit dem Auto zu den Leuten zu fahren, aber ich sage Ihnen, das ist es“.

Frank Henkel selbst hat sich vorgenommen, in diesem Zusammenhang keine Bürgersäle mehr mit langen Reden zu bedenken, sondern den Dialog beispielsweise mit der „Fishbowl“-Methode zu fördern, die einen Innenkreis, das „Goldfischglas“, und einen Außenkreis vorsieht. Als ein konkretes Thema nannte er die bessere Verteilung von Arztpraxen und den bereits im letzten Wahlkampf angestoßenen „Wertedialog“. „Wir denken die Stadt von morgen“, sagte er, und die CDU zeige sich dabei als „Problemlösungspartei“. Bernd Matthies

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