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Berlin: In der Nachbarschaft des Interconti ist jede Regung verdächtig

Präzisionsschützen auf dem Dach, Panzer auf der Straße. Zur Afghanistan-Konferenz wurde das Luxushotel zur „Zone Rot“. Ein Fahrradkurier kam trotzdem durch

Mittwoch, 9.20 Uhr. Jetzt wird es ernst für die Berliner Polizei. Der amerikanische Außenminister Colin Powell landet auf dem militärischen Teil des Flughafens Tegel. Powell gilt als der mit Abstand gefährdetste Politiker, der an der Afghanistan-Konferenz im Hotel Intercontinental teilnimmt: Gefährdungsstufe 1. Für den afghanischen Präsidenten Hamid Karsai gilt Stufe 2, danach folgen 13 Politiker, meist Außenminister mit der Gefährdungsstufe 3 (siehe grauer Kasten rechts unten). Der Unterschied zwischen Stufe 1 und 2 ist sichtbar: Ist Powell im Interconti, wachen Präzisionsschützen der Polizei auf den Dächern des Hotels in der Budapester Straße. Mit Ferngläsern beobachten sie die Nachbarschaft und achten auf jede Bewegung, jedes Fenster, das sich öffnet, ist verdächtig.

Unterschiede gibt es auch beim Transport: Die Polizisten in den Mannschaftswagen hinter Powells Limousinen tragen Helme, bei Karsai – auf Sicherheitsstufe 2 – ist das nicht erforderlich. Auch in anderen Details gibt es Unterschiede – fast alle werden so geheim gehalten wie die jeweilige Zahl der begleitenden Polizisten.

Kurz vor 11 Uhr, dem offiziellen Beginn der Afghanistan-Konferenz, trifft Bundeskanzler Schröder vor dem Interconti ein, ziemlich unauffällig im silbernen Mietwagen mit Hildesheimer Kennzeichen. Schröder geht die wenigen Meter zum Haupteingang des Interconti sogar zu Fuß. Der englische Außenminister Straw – einer der letzten, die am Mittwochvormittag kommen – bevorzugt die Tiefgarageneinfahrt.

Für die 1400 Berliner Polizisten und ihre 390 Kollegen aus Sachsen stellt die Koordination der eintreffenden Konvois die größte Herausforderung dar. Ob Diplomaten-Limousinen, die zivilen Fahrzeuge der Sicherheit, die Motorrad-Eskorten der Polizei – alle Fahrzeuge müssen in der engen Budapester Straße vor dem Hotel wenden und geparkt werden, das Gedränge ist so groß wie am Bahnhof Zoo.

An beiden Enden der Budapester Straße stehen Räumpanzer der Polizei. Die Kontrollen sind so scharf, dass sogar die Limousinen der Botschafter an den Kontrollen stoppen müssen, denn die Budapester Straße ist im Polizeijargon „Zone Rot“. Auch Fußgänger dürfen sich dem Hotel nicht nähern, an der Corneliusbrücke ist Schluss. Allerdings rätselten viele Polizisten gestern gegen 10.30 Uhr, als ein Fahrradkurier plötzlich die Budapester Straße entlanggeradelt kam und die Rote Zone seelenruhig über die Corneliusbrücke verlässt. Woher der auffällige Radler plötzlich hergekommen ist, bleibt ungeklärt. Doch es bleibt bei diesem Zwischenfall, Einsatzleiter Alfred Markowski hat mittags blendende Laune. Leise verärgert ist der Berliner Spitzenpolizist nur über Berichte, dass man die Konferenz besser auf dem Bonner Petersberg hätte abhalten sollen. „Das ist doch Ehrensache in Berlin“, findet Markowski. Natürlich wäre die Konferenz (wie die ersten beiden Afghanistan-Konferenzen 2001 und 2002) in dem abgelegenen Hotel im Wald einfacher zu schützen gewesen, unsicherer sei Berlin deshalb aber nicht.

74 Delegationen tagen bis zum heutigen Donnerstag im Intercontinental über die Zukunft Afghanistans. Morgen wird sich Karsai in der Technischen Universität mit Landsleuten treffen.

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