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Berlin: In der Wohnung in Mitte kann man die ausgestellte Soft- und Hardware aus den letzten beiden Jahrzehnten sogar ausprobieren

Im Grunde hätten auch andere auf die Idee von Nolan K. Bushnell kommen können.

Im Grunde hätten auch andere auf die Idee von Nolan K. Bushnell kommen können. Rechts und links zwei Scheiben als Schläger, dazu ein weißer Ball, der ständig hin und herhüpfte, und genau in der Mitte des Monitors ein Strich: das Netz. Nichts Besonderes, aber dennoch ein Spaß, der zahllose Fans stundenlang in Atem hielt. Vorbei das Nichtstun vor dem Fernsehschirm, erstmals konnten sie im TV selbst um Sieg oder Niederlage kämpfen. Zwei Spieler saßen vor dem Gerät, kleine Pulte auf dem Schoß, die per Kabel mit dem Fernseher verbunden waren - in der Hand einen Drehknopf. Den bewegten sie wild hin und her, linksherum sauste der Schläger hoch, rechtsherum runter. So trieben sie den Ping-Pong-Ball übers Netz und den Gegner in die Kapitulation.

Blick zurück auf 1972: In diesem Jahr brachte der Tüftler und Unternehmer Nolan K. Bushnell sein Tele-Tischtennis "Pong" auf den Mark und kam mit der Produktion kaum nach. Hunderttausende in den USA und Europa fetzten sich auf der Mattscheibe und begründeten seinen Ruf als erstes kommerziell erfolgreiches Videospiel. Heute wirkt "Pong" im Vergleich zur "Play Station" wie das Auto von Fred Feuerstein neben einer High-Tech-Limousine. Doch die Bälle sind nicht zu Boden gefallen: In einer Parterrewohnung an der Rungestraße 20 in Mitte fliegen sie auf einem Fernsehschirm aus den frühen 70ern weiter hin und her und machen deutlich, in welchem Zeitraffer sich die Computertechnik seither entwickelt hat.

Die Wohnung beherbergt eine kleine, aber einzigartige Ausstellung: Europas erstes Museum für Computer- und Videospiele. Eine Zeitreise durch deren Geschichte, vom Schwarz-Weiß-Monitor zur virtuellen Realität, mit elektronischen Klassikern und Exoten und vielerlei Namen, die einst Fans begeisterten: Commodore, Atari, Amiga. Hier stehen sie nebeneinander, und jeder Besucher darf so lange spielen, wie er will.

"Der Hunger der Fans nach immer besseren elektronischen Spielen brachte die Entwicklung der Computer entscheidend voran", sagt Jan-Ole Christian vom Museums-Team. Doch immer der Reihe nach: "Pong", so wird erzählt, habe sein Schöpfer Nolon Bushnele noch mit dem Lötkolben im Kinderzimmer ausgetüftelt. Erst kam es als Video-Münzspiel in die Kneipen, dann als Heimspiel in die Stuben, ergänzt durch eine Fußball-Variante - danach explodierte der Markt. Nolan K. Bushnell gründete die erste Videospielefirma der Welt "Atari".

"Pac-Man" hieß seine Figur, die als Pionier der Unterhaltungselektronik vor neunzehn Jahren über die Monitore turnte. Man kann dieses Männchen, das nur einen Kopf mit einem riesigen Schlappmaul hat, vor bösen Geistern schützen. Dabei kämpft sich der Kerl durch ein Labyrinth und muss Punkte fressen, so viele, wie er schlucken kann, andernfalls droht ihm der Tod. Im Museum hat "Pac-Man", der Star der frühen 80er Jahre, den Sturm der neuen Technik überlebt, ebenso wie "Supermario", der noch immer gegen King-Kong kämpft oder die Eroberer des Weltalls - die "space invaders". Allesamt Gestalten auf dem Monitor des beliebtesten Videospielgerätes der späten 70er und frühen 80er Jahre - des Atari 2600.

Das ist eine eigenständige Spielekonsole, die am Fernsehschirm angeschlossen wird und im Lauf der Zeit ständig verbessert wurde. Im Jahr 1982 brach durch sie sogar der Krieg der Sterne aus. Raumschiffe rasten in "Space Wars" aufeinander los wie der Rote Baron auf feindliche Kampfflieger. Doch der Flug zu den Sternen brachte der Branche kein Glück, mit den "space ships" stürzten die Verkaufszahlen ab. Das lag allerdings nicht am Spiel, sondern an der rasch gewachsenen Konkurrenz. Es gab immer mehr Heimcomputer, mit denen man wahlweise arbeiten oder spielen konnte. Museumsmann Christian zeigt auf einen grauen Kasten, einen eckigen Monitor und eine etwas abgegriffene Tastatur. "Da steht er, der ZX 80. 1980 brachte Sir Clive Sinclaire diesen Computer in England heraus. Er kostete nur 300 Mark." Das war sensationell billig.

Zehn Jahre huldigten die Spieler der neuen Technik. Danach teilte sich der Markt: Hier die emsigen Arbeiter am PC, dort die Spielerszene, der Schreib- und Graphikprogramme überdrüssig. Sie wollte erneut nur "entertainment" und wurde durch immer raffinierte Spielecomputer wie "Nintendo" und seit 1995 "Playstation" befriedigt.

Endstation? Zumindest vorläufig. Doch der "Förderverein für Jugend und Sozialarbeit" (FJS) - Träger der elektronischen Ahnengalerie - behält die Zukunft im Blick. Er berät bei der Auswahl von Computerspielen und hat eine "Unterhaltungs-Software-Selbstkontrolle" (USK) ins Leben gerufen, deren Altersempfehlungen für elektronische Spiele bundesweit beachtet werden. "Es gilt, einen sinnvollen Umgang mit dem Medium zu vermitteln", schreibt der Verein.

Es muss ja nicht gleich ein solches Loblied sein, wie es die Parteiführung der DDR in den 80er Jahren anstimmte. "Computerspiele besitzen objektive Potenzen, die Idee und Werte des Sozialismus durch die Kinder über Spiel und Romantik aneignen zu lassen". Der Satz steht auf einem Spruchband über dem Münzspielgerät "Polyplay", dessen volkseigener Hersteller den Preis "für gutes Design" erhielt. Heute hat auch Polyplay auf seinem Fuß aus Spanplatten einen Platz an der Rungestraße 20 gefunden.

Das Computer- und Videospielemuseum ist sonntags von 12 bis 18 Uhr geöffnet. Gruppenführungen sind jederzeit möglich. T.: 2793351.

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