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Berlin: „In einigen Jahren fehlen die Fachkräfte“

Der neue Landesarbeitsamtschef Rolf Seutemann beklagt die mangelnde Ausbildungsbereitschaft

Sie kommen nach gut drei Jahren wieder an Ihren alten Arbeitsplatz zurück. In der Zeit ist die Arbeitslosigkeit in der Region dramatisch gestiegen, und die Arbeitsämter stehen vor einem großen Reformprozess. Was ist jetzt das drängendste Problem in der Stadt?

Das ist ganz klar die Schaffung von Arbeitsplätzen. Dazu gehört auch, dass man die bestehenden pflegt und eine weitere Abwanderung verhindert. Natürlich muss man versuchen, neue Jobs in den Ballungsraum zu holen. Das ist allerdings sehr schwer, denn da herrscht deutschlandweit ein intensiver Bürgermeisterwettbewerb.

Was hat sich bei den Arbeitsämtern geändert?

Wir fragen inzwischen stärker als in der Vergangenheit nach den Wirkungen unserer Instrumente. Das finde ich positiv. Wir sind jetzt einen Schritt weiter als in den 90er Jahren. Wir wollen nicht mehr nur die Situation für den Einzelnen in der Arbeitslosigkeit verbessern, sondern wir wollen den Arbeitslosen schnell in Beschäftigung integrieren.

Welche Form der Beschäftigungsförderung ist überholt?

Überholt ist kein Mittel. Die Instrumente müssen nur zielgruppengerichtet eingesetzt werden. Öffentlich geförderte Beschäftigung – zu der auch die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gehören – wird nicht mehr die Rolle wie früher spielen. Gleichwohl wird es diese Förderung in Zukunft für den Personenkreis geben, der letztlich am Arbeitsmarkt keine Perspektiven mehr hat, integriert zu werden. Möglicherweise werden diese Maßnahmen aber dann über Steuermittel finanziert.

Wie wollen Sie es erreichen, mehr Menschen in Arbeit zu vermitteln?

Eins ist klar, mit der Arbeitsmarktpolitik sind wir nicht in der Lage, die Beschäftigungsprobleme der deutschen Volkswirtschaft zu lösen. Wir können durch qualifizierte, zügigere Vermittlung dafür sorgen, dass Arbeitgeber letztlich ihre Stellen besetzen können und die Dauer der Arbeitslosigkeit reduziert werden kann. Noch im letzten Jahr, als die Diskussion um die Bundesanstalt einsetzte, musste ein Vermittler 800 Arbeitssuchende betreuen. Mittlerweile haben wir durch Versetzungen des Personals ein Verhältnis von ungefähr 1 zu 400. Künftig werden wir auch mehr Aufgaben an Dritte übertragen müssen. Ein spezialisierter Dienstleister kann sich etwa besser mit den Schicksalen von Langzeitarbeitslosigkeit auseinandersetzen, als es in der täglichen Routine eines Arbeitsamtes geschehen kann.

Was fordern Sie von den Arbeitslosen?

Sie dürfen nicht nur darauf warten, dass die Arbeitsämter ihnen Angebote unterbreiten, sie müssen selbst dazu beitragen, eine neue Arbeit zu finden. Das ist in einer Solidargemeinschaft eigentlich etwas Selbstverständliches. In der Vergangenheit hat sich aber gezeigt, dass manch einer zunächst seinen Anspruch ausschöpft. Um die Eigeninitiative zu fördern, haben wir die Angebote, sich selbst zu informieren, ausgebaut. Wir werden in absehbarer Zeit einen virtuellen Markt einführen, bei dem Arbeitgeber und Arbeitnehmer im Internet schneller zu einander kommen können. Aber jede Eigeninitiative hat dort ihre Grenzen, wo die Beschäftigungsmöglichkeiten am Markt fehlen.

Die Ausbildungsmisere ist seit Jahren in dieser Zeit das Thema. Im Winter hat man dann das Gefühl, dass doch wieder alle Jugendlichen versorgt wurden. Zurzeit scheint das Wehklagen lauter zu sein als sonst. Ist die Situation in diesem Jahr anders?

Ich glaube nicht. Rechnerisch wird uns wahrscheinlich der Ausgleich gelingen. Wir müssen aber sehen, dass in diesem Jahr die Ausbildungsbereitschaft der Betriebe im Vergleich zu 2002 nachgelassen hat. Das werden wir erneut durch öffentlich geförderte Ausbildung auffangen. Wir dürfen den jungen Leuten die Startchancen nicht verbauen.

Wann werden die Firmen in der Region es bereuen, nicht genügend ausgebildet zu haben?

In vier bis fünf Jahren wird es sich am Markt bemerkbar. Dann werden die Zahlen der Schulabgänger zurückgehen und die Fachkräfte fehlen.

Seit Jahresanfang wird die IchAG gefördert. Von manchen Fachleuten wird sie als Erfolgsmodell gefeiert. Teilen Sie die Auffassung?

Ich gehöre nicht zu den Euphorikern. Seit sieben Monaten läuft das Modell: Das reicht nicht aus, das auf drei Jahre angelegte Projekt zu beurteilen. Die Existenzgründermentalität in der Stadt ist äußerst positiv. Die Ich-AGs können wir erst richtig beurteilen, wenn die Förderung ausläuft. Erst dann wird sich zeigen, ob sie überleben werden.

Die Bundesanstalt will die Zahl der Arbeitsämter reduzieren. Florian Gerster sprach davon, dass in Berlin drei statt bisher fünf Ämter übrig bleiben würden.

Das muss ich zuerst mit der Selbstverwaltungsgremien diskutieren. Aber so viel dazu: Ich habe bereits 1994 einen ersten Vorschlag gemacht zur Organisation der Arbeitsämter. Und der sah drei Ämter vor.

Müssen sich die Menschen dann auf längere Wege gefasst machen?

Nein, der Bürger darf von diesen Änderungen eigentlich nichts merken.

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