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Berlin: In Joschkas Stube (Kommentar)

Die Regierung ist da. Die Mehrzahl der Minister sitzt in ihren Amtszimmern.

Die Regierung ist da. Die Mehrzahl der Minister sitzt in ihren Amtszimmern. Sie sitzen durchweg in Altbauten. Altes ist allerdings belastet: und zwar mit Geschichte.

So auch das Außenministerium. Das Auswärtige Amt residiert am Werderschen Markt im einstigen Sitz der Reichsbank, später ZK der SED, noch später "Haus der Parlamentarier" der ersten und einzigen frei gewählten DDR-Volkskammer. Keine leichte Aufgabe, diese unterschiedlichen historischen "Schichten" in ein Gestaltungskonzept für die neue Bestimmung des Gebäudes aufzunehmen. Hans Kollhoff, der Berliner Architekt, hat sie gelöst, indem er eine Melange aus den vergangenen Zeitstilen gebildet hat - und einen Stil zeitloser Eleganz schafft, der den dreißiger Jahren ebenso entstammen könnte wie den fünfzigern.

Das kommt zweifellos dem konservativen Naturell von Diplomaten entgegen, die es weltweit gewohnt sind, über getäfelte Flure zu huschen und unter kristallenen Leuchtern zu tagen. Bleibt der Minister. Er ist kein Diplomat. Er ist Politiker. Und er heißt hierzulande Joschka Fischer. Sein Vorgänger hatte verfügt, das Ministerbüro im Reichsbank-Altbau aufzuschlagen. Das gefiel Fischer nicht so gut, er hätte lieber im neu errichteten "Kopfbau" mit Blick auf Schlossplatz und Domkuppel amtiert, aber es war nicht mehr zu ändern. Zu ändern war lediglich die Ausstattung seines Ministerbüros. Und die hat er nach seinem Gusto umgestaltet - einem Gusto allerdings, dem, diplomatisch ausgedrückt, ein tieferes Verständnis für das Gestaltungskonzept des Architekten Kollhoff abgeht. Toskanamäßige Fliesen hat er sich in sein Zimmer pflastern lassen, eine schwarze Ledersitzgruppe draufgestellt, die aus den siebziger Jahren übrig geblieben zu sein scheint, und in Allerweltsbüroregalen ein paar Urkunden aus der Geschichte der Bundesrepublik drapiert. Ach ja, und Willy Brandt grüßt von einem Warhol-Bild.

Man stellt sich vor, dass Amtskollegen aus aller Herren Länder bei Joschka Fischer vorsprechen. So sieht also das Allerheiligste des deutschen Außenministers aus, werden sie denken. Und sich ihre eigenen, stilsicheren Bauten ins Gedächtnius rufen, die von Kultur und Geschichte ihres Landes künden. Aber sagen werden sie nichts. Denn sie sind, wenn auch Politiker, so doch Diplomaten.

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