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Mal wieder 5 vor 12.

© Christian Mang

Berlin: In Mitte fällt der Weltuntergang aus

Am 21. Dezember ist Schluss, behaupten Apokalyptiker. Ein Berliner Filmemacher-Paar will die Hoffnung dennoch nicht aufgeben.

Noch knapp drei Monate bis zum Weltuntergang, doch in der Torstraße in Mitte läuft alles seinen geregelten Gang. Die Sonne taucht die Gehwege an diesem Samstagvormittag in ein goldenes Licht, schick gekleidete Menschen flanieren an den Schaufenstern vorbei, auf der vierspurigen Fahrbahn drängeln sich Autos Stoßstange an Stoßstange. In einem Büro über einer Bar names „Muschi Obermeier“ sitzen Lilly Engel und Philipp Fleischmann und überlegen, wie sie die drohende Apokalypse aufhalten können. Dabei lachen sie auffallend oft.

Lilly Engel und Philipp Fleischmann, beide 37, sind Filmemacher und arbeiten zur Zeit im Auftrag von Radio Bremen und Arte an einer Dokumentation mit dem Titel „99 Gründe warum die Welt nicht untergehen darf“. Dass es um die Erde nicht gut bestellt ist, glauben Hobby-Wissenschaftler dem Maya-Kalender zu entnehmen. Der prophezeit für den 21. Dezember angeblich das große Ende. Unsinn, sagen Forscher. Bei dem Datum handele es sich lediglich um einen kalendarischen Zykluswechsel.

Kein Grund zur Sorge also? Wer mag das schon so genau vorhersagen. Engel und Fleischmann, die sich während des Studiums an der Filmakademie Ludwigsburg vor zehn Jahren kennenlernten, sehen jedenfalls Handlungsbedarf. „Wir haben so viel über den Weltuntergang gelesen, dass wir dachten, wir müssen was dagegen tun“, sagt Lilly Engel. Deshalb sind sie der Frage nachgegangen, was das Leben eigentlich lebenswert macht. Und weil sie diesbezüglich nicht nur auf ihre eigene Meinung bauen wollten, unterhielten sie sich in den vergangenen Monaten mit Menschen auf der ganzen Welt. In den USA trafen sie den Musiker Mark Lanegan, einstiger Weggefährten von Kurt Cobain. In Kanada besuchten sie den Weltuntergangsexperten Roland Emmerich, während dieser gerade einen neuen Hollywood-Streifen drehte. Und in Rio de Janeiro sprachen sie mit Prostituierten vom Straßenstrich.

„Wir wollten unbedingt auch Leute befragen, deren Leben kein Tanz durchs Glück ist“, sagt Philipp Fleischmann. Gerade von solchen Menschen zu erfahren, warum die Welt weiterexistieren muss, sei sehr interessant gewesen. Bewusst habe man ein breites Spektrum abdecken wollen: arm und reich, schwarz und weiß, glücklich und unglücklich, berühmt und unbekannt. Die Wahl der Gesprächspartner fasst Lilly Engel, gebürtige Ost-Berlinerin, so zusammen: „Es ging uns darum, ein Kaleidoskop der Menschheit abzubilden.“

In diesem Kaleidoskop darf Berlin natürlich nicht fehlen. Die Hauptstädter taten sich jedoch schwer damit, die schönen Dinge des Alltags zu benennen. „In Berlin wird viel gemeckert. Es war schwierig, sich einer positiven Grundhaltung zu bedienen“, sagt Philipp Fleischmann, der aus dem Rheinland stammt. Nur Regisseur und Millieuchronist Klaus Lemke, für seine öffentlichen Auftritte in Begleitung leicht bekleideter Damen berüchtigt, musste nicht lange überlegen. Seine Reaktion auf die Interviewanfrage: „Ich komme morgen vorbei, haltet die Kamera parat. Soll ich mit Schlampen kommen oder ohne?“ Tags darauf stand er Rede und Antwort. Allein. Der Termin war für seine Begleiterinnen offenbar zu kurzfristig.

Neben den Gesprächen, die Engel und Fleischmann geführt haben, gibt es auch einen Internetaufruf. Auf der Seite www.99gruende.de können User noch bis Sonntag (23. September) kurze Clips mit persönlichen Plädoyers gegen die Apokalypse hochladen. Die Videos sollten nicht länger als drei Minuten sein, ansonsten gibt es keine Vorschriften. „Je subjektiver die Gründe, desto besser“, sagt Fleischmann. „Wenn uns jemand sagt, dass wegen der Currysauce bei Konnopke die Welt nicht untergehen darf, ist uns das auch recht.“

Fragt man die beiden Filmemacher nach ihren eigenen Gründen, die gegen ein Ende der Welt sprechen, antwortet Philipp Fleischmann, ohne lange nachzudenken: „Ganz klar unser Film. Wenn wir mit ihm die Apokalypse nicht aufhalten, hätten wir versagt, und das wäre grauenhaft.“ Außerdem fiele dann die Ausstrahlung ihrer Dokumentation flach, die Arte für den Abend des 21. Dezember plant.

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