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In OMAS ZEITung (13): Tierliebe

Dorothea Spannagel war Lokalreporterin im Berlin der 50er Jahre. Ihr Enkel Lars entdeckt ihre Texte neu. Diesmal: Der Zoo bekommt einen neuen Elefanten.

Meine Oma Thea hatte sie alle. Den stoischen Eisbären Schorch genauso wie Strolli, den handzahmen Storch. Oder die Elefantendame Shanti, immerhin ein Geschenk des indischen Ministerpräsidenten Nehru. Von 1950 bis 1954 war meine Großmutter bei der „Neuen Zeitung“ für die Zoo-Berichterstattung zuständig. Sie hat über Bärenbaby Schwips und Stachelschwein Schnurps berichtet, über einen Mungo namens Quacke und über die Igeldrillinge Stachel, Stichel und Stochel. Und sie hat über Knautschke geschrieben, natürlich. Immerhin war der Nilpferdbulle jahrzehntelang einer der prominentesten West-Berliner und Stammvater einer ganzen inzestuösen Hippo-Dynastie.

Ich kann mich nicht daran erinnern, jemals mit meiner Oma im Zoo gewesen zu sein. Dafür haben wir gemeinsam viele Stunden vor dem Fernseher verbracht, sind mit Grzimek über die Serengeti geflogen und haben mit Sielmann Expeditionen ins Tierreich unternommen. Noch heute kann ich eine Trottellumme locker von einem Basstölpel unterscheiden. Als Kind wollte ich lange Zeit Tierforscher werden – als West-Berliner Junge gab es für mich natürlich nur einen Zoo in der Stadt, der Tierpark ist mir bis heute fremd geblieben. Dafür weiß ich ganz genau, wie es im Nachttierhaus riecht. Und wie sich die von unzähligen Kinderhänden glatt gerubbelte Statuenstirn von Bobby anfühlt, dem in Bronze gegossenen Übergorilla der Berliner Zoogeschichte.

Aus den Texten meiner Oma spricht große Begeisterung. Zwischen 1950 und 1954 passiert viel im Zoo: Das im Krieg zerstörte Aquarium wird wieder aufgebaut, das Elefantenhaus eröffnet, der dezimierte Tierbestand wächst. Und wenn neue Zoobewohner aus aller Welt ankommen, ist meine Oma zur Stelle, um sie in Empfang zu nehmen. Am 30. Juni 1951 begrüßt sie Elefant Shanti – und muss Geduld aufbringen, bis der Dickhäuter seine Transportkiste verlässt. „Die Tür der Kiste wurde ausgehoben und Shanti begrüßte, ihre Rückansicht zeigend, schwanzwedelnd Berlin“, schreibt meine Oma. Mehr bekommt die Zoo-Reporterin aber erst einmal nicht geboten: „Anderthalb Stunden lang waren nur Shantis Hinterteil, ihre Hornsohlen, ab und zu ein Ohr und ein Stück vom Rüssel zu sehen.“ Erst als die Tierpfleger Shanti mit einem Seil aus der Kiste zerren, „zeigte sie sich in ihrer ganzen Größe und Gewichtigkeit“. Bei der Ankunft von Nashorn Arusha gibt es mehr zu gucken: „Arusha ist ein ungeheuer temperamentvolles Rhinozerosweibchen, das seine ersten Bewunderer unentwegt in riesige Staubwolken hüllte.“ Die Berliner brennen darauf, Arusha zu begrüßen, berichtet meine Oma: „Elf Jahre war unser Zoo ohne Nashorn, das letzte ist 1943 im Kriege umgekommen.“

Dickhäuter Knautschke hat den Krieg überlebt. Wieso ist Berlins Wappentier eigentlich ein Bär – und kein Nilpferd? Meine Oma Thea hätte das bestimmt befürwortet.

Diese Kolumne ist gedruckt in der Tagesspiegel-Samstagsbeilage Mehr Berlin erschienen. Alle Folgen finden Sie unter diesem Link.

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