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Berlin: In Rio wär’ das nicht passiert

Sponsorenmangel beim Karneval der Kulturen: Eine der bekanntesten Samba-Gruppen wird deshalb in diesem Jahr fehlen

In den Samba-Kostümen, die Sonia de Oliveira in Brasilien jedes Jahr neu schneidern lässt, sieht sie äußerst fotogen aus. Spiegel Online nahm ihr Foto sogar als Berlin-Motiv für die Story „Die besten 50 Städte der Welt“. Und nicht zu reden von hunderten von Magazinen und Sendern, denen die farbenprächtigen Kostüme und das weltoffene Image des brasilianischen Karnevals in Berlin schöne Stories bescherten. Doch die Tänzerin, die in der vergangenen Woche von einem längeren Aufenthalt aus Rio zurückkehrte, ist so gar nicht guter Stimmung. Für sie steht fest: „Ich werde dieses Jahr zum ersten Mal nicht mehr mit meiner Gruppe Amasonia am Karneval teilnehmen.“ Der Sponsor, der sie im vergangenen Jahr mit einem Truck für den Umzug unterstützt hatte, sprang ab, und vom Veranstalter des Karnevals, der Werkstatt der Kulturen in Neukölln, ist wie jedes Jahr keine finanzielle Unterstützung vorgesehen.

„Das Problem ist uns bekannt“, sagt Ellen Häring von der Werkstatt der Kulturen. „Alle Gruppen finanzieren ihren Auftritt selbst, und jedes Jahr fängt die verzweifelte Suche nach Sponsoren an, insbesondere für die Gruppen, die aufwendige Wagen gestalten oder für ihre Tanzvorführungen individuelle Kostüme schneidern lassen.“ Die Werkstatt der Kulturen finanziert die zwei Vollzeitstellen der Mitarbeiter ebenfalls selbst, von Senat oder Hauptstadtkulturfonds ist keine Unterstützung vorgesehen. Angesichts der Zuschauerzahlen – vergangenes Jahr lockte der Karneval 1,3 Millionen Zuschauer nach Kreuzberg – ist Häring diese Politik nur schwer verständlich. Immerhin hätten sich bis jetzt 101 Gruppen für den Umzug zu Pfingsten am 27. Mai angemeldet. „Wir liegen damit wieder auf dem Niveau des Vorjahres“, sagt Häring. „Dieser Umzug ist ein Geschenk der Menschen an diese Stadt, das ist den meisten Zuschauern gar nicht bewusst.“

Sonia de Oliveira, die für die zahllosen Samba-Kostüme ein Lager in Kreuzberg fand, bereitet die Tänzerinnen und Tänzer gewöhnlich in wochenlanger Vorarbeit kostenlos auf den großen Auftritt vor. Seit 1997, als der Umzug zum zweiten Mal stattfand und bereits 340 000 Zuschauer hatte, ist sie jedes Jahr mit Begeisterung dabeigewesen. Jetzt jedoch sind ihre Geduld und ihre finanziellen Reserven aufgebraucht – der Karneval wird dieses Mal ohne sie stattfinden.

„Ein Kostüm kostet mindestens 1200 Euro, Gewänder für Samba-Queens können bis zu 10 000 Euro kosten“, sagt Sonia de Oliveira. Allein die Krone, die sie trägt, kostet rund 800 Euro. Deshalb lässt sie die Kostüme in Rio fertigen, wo die Löhne für Näherinnnen weit niedriger sind als hierzulande. Alle potenziellen Sponsoren, die de Oliveira angeschrieben hatte, antworteten negativ. „In meiner Heimat Rio wäre solch schwache Unterstützung für den Karneval undenkbar, doch in Berlin hat der Karneval eben einen anderen Stellenwert.“ Für dieses Jahr hatte die Samba-Tänzerin ihrem Wagen das Motto „Solange es Tanz gibt, gibt es Hoffnung“ gegeben. Jetzt bleibt davon wohl nur noch die Hoffnung.

Der Karneval der Kulturen findet am 27. Mai statt. Das Straßenfest beginnt bereits am 25. Mai auf dem Blücherplatz und endet am 28. Mai. Der Karneval im Internet: www.karneval-berlin.de – und die Gruppe Amasonia: www.amasonia.de

Dirk Engelhardt

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