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Berlin: Indische Träume

Der Fernsehturm in der Hand von Affengott Hanuman: Kinomaler vom Subkontinent in Berlin

Sie malen den ganzen Tag, von morgens bis abends, blitzschnell und präzise. Wo früher die Eintrittskarten für die Gemäldegalerie in Dahlem verkauft wurden, ist vorübergehend eine Dependance eines Plakatmalerateliers aus in Südindien entstanden. J. Senthil Kumar und sein Vater M. Jothi Lingam stehen vor einer riesigen weißen Leinwand mit zarten Bleistiftstrichen, etwa vier mal drei Meter groß, und bringen mit einem Pinsel mit entschlossenen Zügen die erste Farbe auf, während ihr Kollege M. Aasivel Kumaran die letzten Farbtupfer auf ein riesiges Plakat für eine Ausstellung des Museums für Indische Kunst setzt. Rechts neben ihm steht ein fertiges Gemälde. Ein Affe schwebt vor rotem Abendhimmel – Hanuman, der Beschützer des Gottes Rama. Aber in den Händen hält er nicht einen Berg und eine Keule, wie es die Mythologie verlangt, sondern das Park Inn Hotel und den Fernsehturm am Alexanderplatz. Und am Horizont erhebt sich der Turm des Roten Rathauses. Ein Kulturmix extra für Berlin.

Mit ihren etwa 30 Bill-Boards – riesige Reklametafeln – werden die drei südindischen Künstler von jetzt an nach und nach im Stadtbild überdeutlich darauf hinweisen, dass Indien in diesem Jahr Schwerpunktland der Asien-Pazifik-Wochen ist, die am 15. September eröffnet werden. Handgemalte Bill-Boards haben bis letztes Jahr in Indien noch für einheimische Kinofilme geworben. Doch die bunte, schnelle Kunst konnte gegenüber der Konkurrenz immer neuerer Drucktechniken nicht bestehen und die Ateliers mussten schließen. „Ich habe in Bangalore Malerei studiert und habe mit meinem Bruder und meiner Schwester meinen Vater im Atelier besucht und von ihm die Kunst des Bill-Board-Malens gelernt“, erzählt Senthil Kumar. Sein Vater hatte wiederum Tempel und Statuen bemalt und Theaterkulissen gefertigt. Erst Anfang der 60er Jahre mit dem Siegeszug des Kinos begann er die weltlichen Götter des schönen Scheins auf riesigen Leinwänden zu verewigen.

Und während wir über die Arbeit sprechen, hat der Vater schon wieder ein großes Stück Fläche ausgemalt. „Für dieses Bild haben wir zu zweit einen Tag gebraucht“, erzählt Aasivel nicht ohne Stolz. Es zeigt ein großes Brandenburger Tor mit Tempel und Passanten im Sari. „Normalerweise sind unsere Bilder viel größer, zehn, zwölf Meter hoch“, erzählt Aasivel, „das hier sind nur ganz kleine Arbeiten.“ - „Aber wir sind hier nicht in Indien“, wirft Andreas Weigelt ein, der mit seinem Kulturzentrum „Bellevue“ in Tiergarten und einem Partner aus Indien diesen Kulturaustausch auf privater Ebene organisiert hat. „Deutsche Bauvorschriften und Sicherheitsbestimmungen haben es uns mit unseren bescheidenen Mitteln nicht erlaubt, die Bill-Boards in indischen Dimensionen aufzustellen.“ Die Ideen zu den Bildern stammen von Thota Tharani, einem Film-Art-Director aus Indien. Alle Maler brauchen einen „Art-Director“. Er liefert die Bildidee und die Maler führen die Arbeiten nach eigenem Gutdünken aus.

Die Bilder, die einmal auf Veranstaltungen der Asien-Pazifik-Wochen hinweisen, sind am Alexanderplatz, am Schloßplatz, am Rathausplatz, am Breitscheid- und Wittenbergplatz, am Ethnologischen Museum und im Bahnhof Friedrichstraße zu sehen. Bis zum 28. September gehören sie zum Stadtbild, bevor sie am 4. Oktober versteigert werden: von 15 bis 18 Uhr im Ethnologischen Museum, Eingang Arnimallee 27 (Hof). Und da die Plakatmaler jetzt in ihrer Heimat ohne Arbeit sind, werden sie auf Bestellung Berliner und ihre Vorlagen auf Bill- Boards verewige – ganz nach dem Motto des Malers Martin Kippenberger „Lieber Maler male mir…“ Später genügt auch ein Foto und das Bild kommt dann per Schiff aus Indien. Die Preise stehen noch nicht fest, aber wer Interesse hat, kann sich bei Andreas Weigelt, Telefon 3913450, melden. Jeder Auftrag hilft, dass die einmalige Fähigkeit dieser flinken Maler nicht vergeht. t

Weitere Informationen im Internet:

www.Bellevue-Berlin.com ,

www.apforum.com , www.smpk.berlin.de

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