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Infektionen bei Erwachsenen: Masern sind keine Kinderkrankheit

Die Infektionen bei Erwachsenen häufen sich. Ärzte raten 16- bis 45-Jährigen, ihren Schutz zu überprüfen. Kinder sind oft immunisiert.

Berlin/Potsdam - In den vergangenen Jahren richteten sich die Appelle meist an junge Eltern, doch diesmal sind Jugendliche und Erwachsene zwischen 16 und 45 Jahren die vorrangige Zielgruppe: Ärzte sowie die Gesundheitsbehörden von Berlin und Brandenburg haben diese Altersgruppe dringend aufgefordert, ihren Impfschutz gegen Masern zu überprüfen und sich gegebenenfalls immunisieren zu lassen. Anlass ist die starke Zunahme von Masernerkrankungen in Berlin seit Jahresbeginn.

Von Januar bis April haben sich bereits 43 Menschen mit der hochansteckenden Viruskrankheit infiziert. Mehr als die Hälfte der gemeldeten Patienten gehören der genannten Altersgruppe an. Im Vorjahr wurden in Berlin nur insgesamt 18 Fälle registriert. In Brandenburg gibt es laut Gesundheitsministerium derzeit zwar keine „gehäuften Infektionen“, die Gefahr sei aber groß, dass die Ansteckungswelle „zu uns rüberschwappt“, heißt es in Potsdam. Deshalb müsse man vorbeugen.

Für einen optimalen Schutz gegen Masern sind zwei Impfungen nötig, die in der Regel mit einem Kombinationsimpfstoff vorgenommen werden, der auch gegen Mumps und Röteln immunisiert. Die erste Impfung soll im Alter zwischen 11. und 14 Monaten erfolgen, die weitere bis zum Ende des zweiten Lebensjahres. Das Problem war lange Zeit die zweite Impfung , weil viele Eltern diese schlicht „verbummelten“, sagt der Spandauer Mediziner und Sprecher des Bundesverbandes der Kinder- und Jugendärzte, Ulrich Fegeler. Doch in den vergangenen Jahren habe man diese Lücke durch die „konsequent durchgeführten Vorsorgeuntersuchen für Kinder“ weitgehend schließen können. Eltern würden vom Kinderarzt meist an die zweite Impfung erinnert. Fortschritte habe seit 2001 auch die schnellere Abfolge der Impfungen gebracht. Zuvor war es üblich, erst Fünfjährige zum zweiten mal zu immunisieren. „Das förderte das Vergessen“, sagt Fegeler.

Die Immunisierung bei Kindern ist deshalb inzwischen nach Angaben des Impfexperten am Robert-Koch-Institut Ole Wichmann in der Region wie auch bundesweit „äußerst zufriedenstellend“. 91,5 Prozent der Schulanfänger hatten 2010 beide Impfungen, fünf Prozent waren nur einmal geimpft. Die Problemgruppe sind heute aus Sicht des Experten die 16- bis 45-Jährigen, weil in deren Kindertagen noch weniger auf die zweite Impfung geachtet oder gar nicht immunisiert wurde.

Der in den 60er Jahren entwickelte Masernimpfstoff wurde in der DDR und in Westdeutschland seit den frühen 70er Jahren flächendeckend eingesetzt. Zuvor erkrankten fast alle Kinder an Masern und bildeten dadurch Antikörper. Die Altersgruppe über 45 Jahren ist folglich heute ebenso lebenslang geschützt wie die durchgeimpften Kinder. Wer zwischen 1970 und den 90er Jahren zur Welt kam, hat dagegen nach Auskunft der Experten oft nur die erste Immunisierung im Impfpass stehen – was bedeutet: „Der Schutz ist weniger effektiv“, sagt Ole Wichmann. Dass die Viren derzeit im Vormarsch sind, hängt aus seiner Sicht auch mit dem Reiseverkehr in Europa zusammen. Derzeit hätten Rumänien, England und Frankreich die größten Probleme mit Masern. Wer sich dort anstecke, könne die Viren rasch nach Deutschland bringen.

Masern dürfe man nicht „auf die leichte Schulter nehmen“, warnt Regina Kneiding, Sprecherin der Gesundheitsverwaltung. Die Krankheit könne zu schweren Komplikationen und sogar zum Tod führen. Mehr als die Hälfte aller seit Januar infizierten Berliner Patienten mussten stationär behandelt werden. Kneiding warnt: „Der Mythos von der harmlosen Kinderkrankheit ist ein gefährlicher Irrtum.“

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