zum Hauptinhalt
Nachwuchstraining. Die ehemalige Leistungsschwimmerin Daniela Hopf gibt Schwimmunterricht bei den Spandauer Wasserfreunden.

© Georg Moritz

Initiative für Schwimmunterricht: Früher ins Wasser

Viele Kinder lernen in der Schule zu spät Schwimmen. Eine Stiftung finanziert jetzt Kurse schon im Kitaalter – bei den Wasserfreunden Spandau 04.

Wenn Renate Stamm am Beckenrand des Forumbads im Olympiapark steht und die Kita-Kinder im Wasser beobachtet, ist für sie klar: Der Schwimmunterricht an den Schulen beginnt zu spät. Dritt- oder Viertklässler seien bereits in einem Alter, in dem sie sich als Anfänger nicht mehr wohl fühlen – „wie Erwachsene, die nicht lesen können“. Stamm setzt sich dafür ein, dass der Unterricht schon in der ersten Klasse beginnt.

Vor zehn Jahren startete sie mit dem Verein Wassserfreunde Spandau 04 das Projekt „Früher-Schwimmen-Lernen“. Am Anfang war es eine Kooperation mit drei Tagesstätten, aus denen 20 Kinder teilnahmen. Heute kommen rund 750 Kinder aus 65 Kitas. Täglich finden zwölf Kurse statt, fünf Mal pro Woche. Es gibt weitere Anfragen, aber die Schwimmhalle ist längst ausgelastet.

Nach Auskunft des Schulsportreferenten der Bildungs- und Jugendverwaltung, Thomas Poller, wächst die Zahl der Kinder, die am Ende der dritten Klasse noch nicht schwimmen können. 2005 waren es zehn Prozent, bis 2010 stieg die Zahl auf 17,4 Prozent. In Neukölln und Mitte lag die Quote sogar bei etwa 30 Prozent, wie der Senat im vorigen Jahr auf Anfrage des Grünen-Abgeordneten Özcan Mutlu mitteilte. Mutlu sieht das Hauptproblem in der sinkenden Zahl der Sportlehrer.

Bei den Wasserfreunden Spandau 04 werden die Kita-Kinder einmal pro Woche mit Minibussen abgeholt und zurückgebracht. Man biete einen „Rundum-Service“ mit „Abholen, Umziehen, Anziehen und Haare-Föhnen“, sagt der mit Renate Stamm verheirate Vereinspräsident und Ex-Bundestrainer der deutschen Wasserball-Nationalmannschaft, Hagen Stamm. Eltern zahlen 180 Euro pro Halbjahr.

Für Kinder, deren Eltern das Geld fehlt, hat die Meridian Stiftung soeben 10 000 Euro gespendet und damit die Kosten für das Schuljahr 2012/2013 übernommen. Mehr als 60 Kinder wurden bisher angemeldet, nach Angaben der Organisatoren reicht die Summe auch noch für ein paar mehr. Den Unterricht geben zum Großteil ehemalige Leistungsschwimmer und andere Leistungssportler. Geförderte Stellen gibt es für Fahrer, Betreuer und Reinigungskräfte. Junge Erwachsene können ein „Freiwilliges Soziales Jahr“ im Verein absolvieren.

„Ein Drittel der Kinder kommt aus dem Umland“, sagt Kathrin Baehr, die den Schwimmunterricht mit den Kitas koordiniert, „ein weiteres Drittel aus Charlottenburg und Spandau und das übrige Drittel aus anderen Bezirken“. Kitas im Radius von 35 bis 40 Kilometer oder einer halben Stunde Autofahrt kommen in Frage. Zu Kursen ohne Abholdienst könnten manche Eltern, die beispielsweise abends einen Zweitjob haben, ihre Kinder gar nicht bringen, sagt Baehr.

Laut Renate Stamm ist es vielen Eltern wichtig, dass ihre Kinder schon in der Kita Englisch und den Umgang mit dem Internet lernen – der Sport aber komme zu kurz. Oft stellten die Trainer Haltungsschäden und ein gestörtes Verhältnis zum eigenen Körper fest. „Es fehlt an grundlegender Koordination“, sagt Oliver Konrad, der den Verein bei der Öffentlichkeitsarbeit unterstützt. Selbst für die „Froschbeine“ – eine leichte Vorbereitung auf das Brustschwimmen – bräuchten manche Schüler Wochen, sagt er.

Früher war die Wertschätzung für das Schwimmen höher, sagt der Senatsexperte

Nachwuchstraining. Die ehemalige Leistungsschwimmerin Daniela Hopf gibt Schwimmunterricht bei den Spandauer Wasserfreunden.
Nachwuchstraining. Die ehemalige Leistungsschwimmerin Daniela Hopf gibt Schwimmunterricht bei den Spandauer Wasserfreunden.

© Georg Moritz

Diese Eindrücke bestätigt auch Schulsportreferent Poller. Eltern müssten „ihre Kinder auch in gewissem Maße ans Schwimmen heranführen“. Noch vor ein paar Jahren habe es „eine viel höhere Wertschätzung“ dafür gegeben.

Der Bedarf an Anfängerkursen gehe nicht zurück, sagt Petra Wolff, die langjährige ehrenamtliche Schwimmtrainerin der Deutschen-Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG) in Steglitz-Zehlendorf. Doch die Wartelisten seien lang: „Leider haben wir durch die Privatisierung und Schließung vieler Bezirksbäder viel zu wenig Wasserfläche in Berlin.“

Wolff ist seit 1973 DLRG-Rettungsschwimmerin, seit 15 Jahren leitet sie die Kinderkurse im Reha-Zentrum am Teltower Damm. Dort beginnt das Schwimmtraining mit sechs Jahren, manche andere DLRG-Bezirke nehmen schon vierjährige Kinder auf. Wolff hat jedoch die Erfahrung gemacht, dass „die komplexen Schwimmbewegungen aufgrund der körperlichen Entwicklung erst ab dem sechsten Lebensjahr erlernt werden können“.

Da der Unterricht in einem Verein vielen Familien zu teuer ist, gibt es in Bezirken wie Tempelhof-Schöneberg sogenannte Schwimmpatenschaften: Fünf- bis siebenjährige Kinder aus einkommensschwachen Familien können kostenfrei an einem Kurs im Stadtbad Schöneberg teilnehmen. Der Bezirk kooperiert dabei mit den Berliner Bäderbetrieben und wirbt um „Paten“, die je 65 Euro zugunsten eines Kindes zahlen. Die Bäderbetriebe wiederum stellen dann jeweils einen weiteren Gratis-Platz zur Verfügung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false