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Berlin: Inline-Skaten: Blitzschnell und trendy wie Barbara Becker

Barbara Becker war der Auslöser. Immer diese Fotos von ihr in den Magazinen: Barbara Becker, getrennt und glücklich, rollt auf Inline-Skates eine palmenbewachsene Promenade in Miami entlang.

Barbara Becker war der Auslöser. Immer diese Fotos von ihr in den Magazinen: Barbara Becker, getrennt und glücklich, rollt auf Inline-Skates eine palmenbewachsene Promenade in Miami entlang. In knappen Shorts, kein Gramm Fett zuviel am Körper, die Oberarme gigantisch durchtrainiert. Dann der Vergleich: Ich habe das Rauchen zwar aufgegeben, dafür aber einige Pfündchen hinzugewonnen. Das Fitness-Center bringt es nicht: zu miefig, zu zeitintensiv, und sie knebeln einen mit teuren Jahresverträgen. Die Lösung: Selber skaten, wie Barbara Becker. Vielleicht irgendwann auch in Miami, doch zunächst ruft die "Fun World" in den Hallen am Borsigturm in Tegel.

Hier veranstaltet die "Berliner Inline Schule" jedes Wochenende Skate-Kurse, wahlweise für Einsteiger und für Fortgeschrittene. Unter der Woche finden deren Kurse - bei gutem Wetter - auch vor dem Olympiastaion statt. Mittlerweile fahren etwa zwölf Millionen Deutsche ab auf den schnellen Spaß auf acht Rollen. Doch wer sich die Dinger ohne Vorwissen anschnallt und mir nichts, dir nichts losdüst, landet oftmals mit einem Gipsbein im Krankenhaus. Skaten heißt nicht wie in den 70er Jahren gemütlich durch die Gegend zu rollern und sich höchstens die Knie blutig aufzuschlagen. Inline-Skaten heißt blitzschnell, fit und damit trendy sein - so genannter Fun-Sport eben. Und damit einem der Fun nicht allzu plötzlich vergeht, schießen auch in Berlin immer mehr Skate-Schulen wie Pilze aus dem Boden, die einem das Wichtigste beizubringen versuchen. "Pro Woche haben wir mindestens 80 Leute in unseren Kursen, jetzt, wo die Saison begonnen hat, werden es noch mehr", sagt Daniel Pfarr von Air-Team, dem Veranstalter der Berliner Inline Schule. Ob Drinnen oder Draußen: 100 Mark kosten die drei Mal 90 Minuten. Wer will, kann sich die Ausrüstung sogar vor der Schulung kostenlos ausleihen.

Auf der spiegelglatten, tomatenroten Rollfläche in der Halle ruft Trainerin Franzi - oder Instructor, wie man hier zu sagen pflegt - die acht Mitglieder des Anfängerkurses zusammen. Die Kinder im Vorschulalter sehen aus wie kleine Schildkröten, gepanzert mit ihren Helm, Knie-, Hand- und Ellenbogenschützern. Doch es sind wieselflinke Schildkröten, im Gegensatz zu den herumeiernden Erwachsenen. Sinnvollerweiseweise erklärt Franzi zunächst, wie man die Schutzausrüstung richtig anlegt. Die Ersten werden ermahnt, weil sie ihre Handschützer verkehrt herum tragen. Kann passieren, darf aber nicht passieren. Abgesehen davon, dass es "uncool" aussieht, und "cool aussehen", da sind sich die Trainier einig, sei sehr wichtig bei dieser Sportart.

Zunächst soll "Vertrauen in die Schützer" gewonnen werden. Im Klartext heißt das, dass sich einer nach dem anderen, wie ein nasser Mehlsack, nach vorne auf die spiegelglatte Fläche plumpsen lässt. Die Plastikschützer scheppern beim Aufschlagen gewaltig. Doch, oh Wunder, es tut gar nicht weh. Ich könnte mich ständig weiter fallen lassen, mache das auch ab und zu während der folgenden Übungen und ernte verständnislose Blicke. Derweil wagt sich die Gruppe an die ersten Fahrübungen. Beim Skaten holt man Schwung, indem man den Fuß seitlich nach außen wegdrückt. Die Gruppe übt das zweimal mit dem linken, dann zweimal mit dem rechten Bein. Es klappt. Natürlich gibt es wie früher zu Schulzeiten auch hier Leute, die grundsätzlich alles auf Anhieb hinbekommen. Da hilft nur eins: Zu seinen Schwächen stehen. Das hat den Vorteil, dass man von Franzi und im zweiten Kurs dann von Andreas, einem muskulösen Eishockey-Trainer mit strammen Schenkeln, persönlich an die Hand genommen wird - da findet man spielend das sportliche Gleichgewicht.

Nach diversen Hütchen-Umkreisungen und imaginären Tunnelfahrten wird es kompliziert: Das Bremsen. Es verlangt gleich drei Dinge auf einmal: In die Hocke gehen (strammer Po), ein Fuß nach vorne (kompliziert), dann den rechten Bremsklotz mit der Verse in den Boden rammen (noch viel komplizierter). Zunächst haben fast alle einen Bremsweg, der sich beinahe durch die gesamte Halle zieht: Fatal, führe man außerhalb der Borsighallen.

Im zweiten Kurs versucht Andreas die Gruppe zum Bremsen zu bringen. Auf seinen Skates tänzelt er wie ein junger Gott, windet sich sanft hin und her, und wenn er bremst, dann steht er auch schon. "Immer schön die Toiletten-Stellung beachten", rät Andreas, "wir können euch nur die Grundlagen vermitteln, üben müsst ihr selber". Am Ende des Kurses brennen die Fußsohlen und schreien nach einem heißen Bad. "Ganz normal am Anfang", beruhigt Andreas. Beim gemeinsamen Umkleiden zeigen sich die Fortschritte auch in der Fachsimpelei. Hielten einige den Namen "k2" zuvor noch für die Bezeichnung eines Atomkraftwerkes, werden einem nun nicht nur Herstellernamen, sondern auch die Härtegrade der Rollen und die Baumaße der Kugellager um die Ohren geschleudert. Und zum ersten Mal habe ich das Gefühl, dazuzugehören - wie Barbara Becker.

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