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Statt in seiner Behörde herumzusitzen, sucht Innensenator Frank Henkel lieber das Rampenlicht.

© dpa

Innensenator ist nicht zu fassen: Mitarbeiter kritisieren Henkel, aber die Berliner mögen ihn

In Umfragen ist er inzwischen Berlins beliebtester Politiker. Als Innensenator setzte er bisher allerdings wenig Akzente. In seiner Behörde klagt man über mangelnde Kommunikation: Der Chef profiliere sich lieber als CDU-Vorsitzender, heißt es.

Knapp ein Jahr nach der Wahl sieht sich Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) massiver Kritik aus seiner eigenen Behörde ausgesetzt: Er setze kaum inhaltliche Impulse und sei für die Mitarbeiter im Vergleich zu seinem Vorgänger Ehrhart Körting (SPD) schwer ansprechbar, klagen Beamte. Laut einer Forsa-Umfrage für die „Berliner Zeitung“ bleibt Henkel, der auch CDU-Landeschef ist, der beliebteste Berliner Politiker. Zugleich überholte die CDU die SPD erstmals seit 2009 in der „Sonntagsfrage“: Während die Union zwei Prozentpunkte auf 26 Prozent zulegte, liegt die Berliner SPD bei 25 Prozent (minus 1).

Sein Traumjob soll es nicht gewesen sein. So war zumindest im vergangenen Herbst zu hören, als die CDU dank der gescheiterten Koalitionsverhandlungen von SPD und Grünen plötzlich in Berlin mitregieren durfte. Parteichef Frank Henkel, wurde damals kolportiert, wäre eigentlich lieber Wirtschaftssenator geworden als die schwierige, politisch risikobeladene Innenverwaltung zu führen. Aber das wäre den CDU-Wählern wohl kaum zu vermitteln gewesen, wenn der Parteichef ein zentrales Kompetenzfeld der Union, die innere Sicherheit, nicht auch selbst besetzt hätte. Seit Ende November ist Henkel daher Innensenator.

Henkels bisherige Bilanz fällt allerdings ambivalent aus. Nach außen, so ist nicht nur von der Opposition zu hören, hat der einstige innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, der in Sachen Recht und Ordnung immer gern ausgeteilt hat, bislang wenig eigenes Profil gezeigt. Und nach innen häufen sich aus der Senatsverwaltung für Inneres und Sport die Klagen, dass der Senator für seine Mitarbeiter zu wenig da sei und den Austausch darüber vermissen lasse, was er eigentlich vorhat.

100 Tage schwarz-roter Senat - Zeit für eine Zwischenbilanz:

Der Senator, so ist aus der Innenverwaltung zu hören, sei im Vergleich zu seinem Vorgänger „wenig anwesend“. So habe er eine wichtige Institution, über die der gut zehn Jahre lang amtierende Ehrhart Körting (SPD) und seine Staatssekretäre viel mit ihren Abteilungsleitern und anderen Mitarbeitern kommunizierten, stillschweigend weitgehend einschlafen lassen, nämlich die wöchentliche Abteilungsleiterrunde, in der vor allem nach Senats- und vor Abgeordnetenhaussitzungen wichtige aktuelle Fragen besprochen wurden. Diese auch in anderen Verwaltungen als zentrales Forum für wichtige Besprechungen geschätzte Einrichtung hätten Henkel und seine ebenfalls neu in die Verwaltung gekommenen Staatssekretäre Bernd Krömer und Andreas Statzkowski weitgehend abgeschafft, klagen hochrangige Mitarbeiter.

Die Opposition wittert Etikettenschwindel.

„Der direkte Draht zum Senator ist nicht mehr da“, sagt ein Beamter. Zwar tausche sich Henkel zu aktuellen Anlässen direkt mit den Leitungen von Polizei oder Verfassungsschutz aus. Andere Abteilungsleiter hingegen hätten den Senator nach einem ersten Kennenlerntreffen kurz nach dem Amtsantritt kaum noch zu Gesicht bekommen. „Er hat offenbar kein Interesse, Input zu bekommen oder zu geben“, klagt ein Mitarbeiter. „Es gibt auch kein Thema, bei dem man nach innen spürt, dass ihm das besonders wichtig sei.“ Ein anderer Beamter sagt: „Es wäre hilfreich, regelmäßige Runden zu haben, um Strategien zu besprechen, Signale zu aktuellen Vorhaben von der Hausleitung zu bekommen und neue Initiativen zu starten – daran scheint aber kein Interesse zu bestehen.“

Der Kritisierte weist diese Vorwürfe zurück: „Verdeckte Kritik sagt sicher mehr über den Absender aus als über den Empfänger“, sagt Frank Henkel dem Tagesspiegel. „Wir haben in meiner Verwaltung schnell gemeinsame Erfolge erzielt.“ Er nehme die Kritik „sportlich“.

Acht Fragen an Frank Henkel im Wahlkampf 2011:

Unterstützung bekommen die Kritiker aus der Behörde hingegen durch politische Beobachter wie den Grünen-Innenpolitiker Benedikt Lux. „Es sind bei Frank Henkel keine wirklichen Schwerpunkte zu erkennen, er scheint politisch immer noch unschlüssig, ob er für Law-and-Order-Politik oder für eine moderne Großstadt-CDU steht“, sagt Lux. So versuche Henkel zwar, mit harten Maßnahmen gegen Rockergewalt oder der Ankündigung einer Task Force gegen Wohnungseinbrüche zu punkten. Da die Zahl der Beamten aber nicht entsprechend den Ankündigungen wachse, ist die vermeintliche Schwerpunktsetzung für Lux ein Etikettenschwindel: „Er tut so, als würde die Decke größer, wenn man von allen Seiten dran zieht.“

Mit dem Kampf gegen die Rockerkriminalität kann sich Frank Henkel profilieren:

Auch zur bürgernahen Verwaltung, einem Thema, das in den vergangenen Wochen durch den Ärger über besonders lange Wartezeiten in Ämtern akut wurde, war von Henkel nicht viel zu hören. Zwar kann der Innensenator den Bürgerämtern der Bezirke nicht vorschreiben, wie sie zu arbeiten haben – aber er könnte zumindest einen „Dialog anregen“, so der SPD-Innenpolitiker Thomas Kleineidam, wie trotz knapper Kassen und überalterter Mitarbeiter der Bürgerservice bestmöglich organisiert werden könnte. Und auch der politischen Herausforderung der Einwandererstadt, der sich Amtsvorgänger Körting mit Leidenschaft stellte, steht Henkel aus Sicht seiner Kritiker zu passiv gegenüber: „Das Feld der Integrationspolitik lässt er unbeackert liegen, obwohl es für einen Innensenator wichtig ist, für Vertrauen und Beteiligung der unterschiedlichsten Kulturen in Berlin zu werben“, sagt Grünen-Politiker Lux.

Überwiegend Parteivorsitzender und zu einem kleinen Teil Senator.

In Henkels Behörde verstärkt sich zudem der Eindruck, der Chef nehme das Amt des CDU-Landesvormannes wichtiger als das des Senators. „Er ist überwiegend Parteivorsitzender und nur zu einem kleineren Teil Senator“, ist von führenden Mitarbeitern der Senatsinnenverwaltung zu hören. Henkel nehme in seinem Arbeitsalltag überwiegend „Parteitermine“ zu Themen wahr, mit denen man sich in der Öffentlichkeit politisch profilieren könne, im eigenen Hause lasse er sich zu wenig blicken. Während es unter Körting nicht ungewöhnlich war, dass der Senator aus einer Besprechung heraus mit dem Diensthandy schon mal den Sachbearbeiter anrief, der für den gerade verhandelten Vorgang zuständig war, hätten die meisten Mitarbeiter der Innenverwaltung seit dem Amtswechsel kaum direkten Kontakt mit ihrem Behördenchef gehabt. „Uns fehlt die Wertschätzung für die Arbeit, die wir hier leisten“, sagt ein Mitarbeiter.

Auch diese Kritik will Henkel nicht gelten lassen. „Ich denke, dass auch diejenigen, die offensichtlich länger brauchen, sich nach zehn Jahren auf einen neuen Führungsstil einzustellen, das hinbekommen werden“, sagt er. „Meine Tür steht jedem offen.“

Rocker unter Druck:

Der Unmut in der eigenen Verwaltung steht in bemerkenswertem Kontrast zu den Beliebtheitsumfragen, bei denen Henkel in letzter Zeit sogar Klaus Wowereit überholt hat und jetzt laut Forsa Berlins populärster Politiker ist. Vielleicht hat das auch damit zu tun, dass er in der Öffentlichkeit in letzter Zeit mehr mit Privatgeschichten wie einem „Bild“-Sommerinterview über die Schwangerschaft seiner Partnerin aufgefallen ist als mit politischen Initiativen?

Gefragt, welche eigenen Spuren der CDU-Chef als Innensenator bislang im Amt hinterlassen hat, fällt auch dem Koalitionspartner nicht viel ein: „Ich sehe nicht viele Veränderungen gegenüber seinem Vorgänger“, sagt SPD-Innenpolitiker Kleineidam. Er meint das allerdings positiv, denn Henkel habe bei allen grundlegenden Fragen die liberale, aber in Sachen Sicherheit entschlossene, Linie des SPD-Langzeitsenators Ehrhart Körting fortgesetzt, vom Polizeikonzept am 1. Mai bis zum Umgang mit den Rockern. Nur die Rhetorik habe sich geändert, Stichwort „Null Tolerenz“. In Bereichen, in denen er Neuland betrete, wirke der Senator hingegen auch acht Monate nach seinem Amtsantritt noch „unsicher“, findet nicht nur Kleineidam und nennt das Hin und Her um den neuen Polizeipräsidenten als Beispiel.

Das Vorgehen gegen die Rocker-Kriminalität und auch die Ausschreibung des Polizeipräsidenten sind für den CDU-Fraktionsvorsitzenden Florian Graf hingegen zwei Themen, mit denen Henkel Akzente gesetzt habe. Generell findet Graf die Kritik, Henkel habe sich bislang zu wenig profiliert, ungerechtfertigt. Der Innensenator habe sehr wohl ein eigenes Profil entwickelt, so auch beim erneut angestrebten NPD-Verbot. Die Bewährungsprobe 1. Mai habe Henkel „besonnen und souverän“ gemeistert. Und für den Sport habe er sich eingesetzt, sei es durch Auftritte mit den Berliner Olympiateilnehmern, sei es durch die auch im Haushalt festgeschriebene Gewährung von ausreichend Geld für die Wiedereröffnung von vier sanierungsbedürftigen Schwimmbädern bis Ende 2013. Zudem trage Henkel aus Sicht der Union als Bürgermeister und „oberster CDU-Repräsentant im Senat“ wesentlich dazu bei, dass die Partei in der öffentlichen Wahrnehmung Berlins zunehmend besser dastehe.

Grünen-Politiker Lux erklärt die von ihm diagnostizierte Unentschlossenheit und mangelnde Profilierung des Innensenators damit, dass Frank Henkel seit seinem Amtsantritt zwei konträre Rollen gleichzeitig zu erfüllen habe: „Früher hatte die CDU als Berliner Regierungspartei einen staatstragenden Politiker wie Richard von Weizsäcker an der Spitze und einen harten Hund als Innensenator – Henkel muss beides zugleich sein.“ (mit obs)

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