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Berlin: Ins Grüne oder zur Wahl?

Wie die Beteiligung vom Wetter abhängt

Der Zusammenhang zwischen Wetter und Wahlbeteiligung ist viel schwieriger zu untersuchen als etwa jener zwischen Wetter und Krawallbeteiligung. In Kreuzberg am 1. Mai ist es ganz einfach: Ist es warm und scheint die Sonne, kracht’s. Nieselt es bei unfreundlichen Temperaturen, bleibt der gewaltgeneigte Autonome auf dem WG-Sofa sitzen und die Nacht bleibt ruhig. Das ist hundertprozentig immer so, versichern Kreuzberger.

Bei Wahlen gibt es dagegen zwei sich widersprechende Theorien. Die einen sagen, ist das Wetter schlecht, bleiben die Wähler zu Hause. Die anderen behaupten, dass schönes Wetter zu sehr zu Ausflügen ins Grüne statt ins Wahllokal verleitet. Von Eberhard Diepgen ist der schöne Satz von der Wahl ’92 überliefert: „Wir haben eins auf die Bademütze bekommen.“ Genauso gut dient aber auch schlechtes Wetter als Ausrede für schlechtes Abschneiden von Partei X oder Y.

Selbstverständlich hat sich die Wissenschaft des Themas angenommen. Der Dresdner Kommunikationsprofessor Wolfgang Donsbach hat die schlechte Beteiligung bei der Sachsen-Wahl vor vier Wochen (52 Prozent!) so kommentiert: „Gutes Wetter ist siebenmal gefährlicher für die Wahlbeteiligung als schlechtes.“ In Sachsen war es offenbar zu gut.

Auch die Demoskopie kümmert sich: Eine Frage in der jüngsten Umfrage des bekannten Allensbacher Instituts lautete: „Einmal angenommen, Sie machen an einem Sonntag, an dem Wahl ist, einen Ausflug. Sie haben viel Spaß, das Wetter ist traumhaft schön, aber die Wahllokale schließen um 18 Uhr. Was machen Sie: Beenden Sie den Ausflug, um noch rechtzeitig wählen zu gehen, oder ist Ihnen das nicht so wichtig?“ 1998 sagten 59 Prozent der Befragten, sie würden für die Wahl den Ausflug abbrechen. In diesem Jahr sind es nur noch 39 Prozent. Eine Umfrage, wie es der Wähler denn bei Regen mit dem Gang zur Urne hält, gibt es offensichtlich noch nicht. Bei der Europawahl im Juni dieses Jahres hatten viele die mickrige Beteiligung von 35 Prozent aufs Nieselwetter geschoben. Heute, so die Prognose, soll durchgängig die Sonne scheinen, bei für Ende September erstaunlichen 24 Grad – ein schöner Ausflugstag also. Ha

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