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Idyll in der Spree. In dem ehemaligen DDR-Kinderheim (l.) auf der Insel der Jugend hat das EJF eine Wohnung für vernachlässigte Kinder eingerichtet.

© DAVIDS/Darmer

Insel der Jugend: Zuflucht auf Zeit

Auf der Insel der Jugend gibt es jetzt eine Kinderschutzwohnung. Dort werden die Kleinen betreut und die Eltern trainiert.

Auf der Brücke zur Insel der Jugend hat das Sandmännchen ein Herz hinterlassen. Es ist eine von vielen blauen Fliesen, die Symbole für Kinderfreundlichkeit sein sollen. Wie passend, denn von jetzt an ist die Insel in der Spree beim Treptower Park eine Zuflucht für Kinder im Sandmännchenalter: Am Freitag eröffnete das Evangelische Jugend- und Fürsorgewerk (EJF) dort eine Kinderschutzwohnung für misshandelte und verwahrloste Säuglinge und Kinder bis sechs Jahren. Am 1. Juni können die ersten kleinen Bewohner einziehen.

Mitten auf der Insel, zwischen den Bäumen steht ein unscheinbares graues Haus – ein Kinderheim aus DDR-Zeiten. Im rechten Flügel gibt es schon seit längerem eine Einrichtung des EJF – betreutes Wohnen für Mädchen zwischen 12 und 18 Jahren. Der linke Flügel wurde nun für die Kleinsten umgebaut: Auf 250 Quadratmetern, die sich über zwei Etagen verteilen, finden dort jetzt sechs Kinder Platz. Aus den Sprossenfenstern sieht man Bäume und die Spree – ein Idyll. Es riecht noch nach Farbe, frischem Holz und neuem Linoleumfußboden. Aber auf den Betten und in den Stubenwagen sitzen schon Teddybären. Sorgfältig aufgereiht stehen Fläschchen für die Babys in der Milchküche im ersten Stock bereit.

„Der Bedarf für solche Einrichtungen ist riesengroß“, sagt der Treptow-Köpenicker Jugendstadtrat Dirk Retzlaff (SPD), der zur Eröffnung gekommen ist. „Die Zahl der Inobhutnahmen durch das Jugendamt steigt ständig und es gibt nicht genug Pflegefamilien.“ Heidemarie Neunert, Koordinatorin des Projekts und stellvertretende Leiterin des Kinder-und Jugendhilfezentrums Neukölln, räumt noch schnell ein paar Sachen weg, die die Handwerker liegen gelassen haben. Dann muss sie unbedingt klarstellen, dass hier nicht nur jene Kinder aus den spektakulär vermüllten Wohnungen landen sollen, von denen man so viel hört: „Es werden auch Babys von jungen Eltern sein, die mit ihrer neuen Rolle überfordert sind.“ Oder Kinder von alleinerziehenden Müttern, die länger ins Krankenhaus müssen, und niemanden haben, der sie unterstützt. Es solle eine Unterkunft sein für all jene Fälle, in denen das Jugendamt noch eine Chance sieht, dass die Kinder zu den Eltern zurückkehren können. Deshalb werden sich die Mitarbeiterinnen auch um die Eltern kümmern. „Sie sollen von uns alles lernen, was man wissen muss, wenn man für so einen hilflosen Winzling verantwortlich ist“, sagt Heidemarie Neunert. Kochen zum Beispiel, oder das Baby baden. Dazu können Mütter und Väter entweder für einige Zeit in die kleine „Elterntrainingswohnung“ im Erdgeschoss neben dem Ess- und Spielzimmer einziehen. Oder sie kommen oft zu Besuch.

Auf der Insel sollen die Kinder aber auch eine Art Familie auf Zeit finden: „Ich werde hier Mutter für sechs Kinder“, sagt Rita Lehmann lächelnd. Die Erzieherin wird bald in eine hübsche Wohnung im Obergeschoss des Hauses einziehen – direkt neben den Kinderzimmern. Das sei ein neues und einzigartiges Konzept, sagt Heidemarie Neunert.

Rita Lehmann wird von einer zweiten Erzieherin unterstützt, außerdem von einer Kinderkrankenschwester, einer Sozialarbeiterin und weiteren Mitarbeitern, die den Nachtdienst übernehmen. Und das Sandmännchen hilft vielleicht auch ein bisschen mit.

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