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Berlin: Inspiriert von allen Ecken und Enden

Frei und kreativ: Internationale Design-Studenten in Weißensee

Für ihre schnoddrige Art sind die Berliner ja bekannt – und das offenbar auch am anderen Ende der Welt. Von der Unfreundlichkeit der Berliner hat sogar Jonathan Boarini aus Guatemala-City schon gehört. „Aber das ist nur ein Klischee“, sagt er – und er muss es wissen. Schließlich lebt Jonathan zur Zeit in Berlin. Ein Austauschsemester lang studiert er an der Kunsthochschule in Weißensee.

In seinem Seminar für experimentelles Produktdesign kommen zwei Drittel der Studenten von weither: aus der Mongolei, den USA, Korea und Frankreich. Gemeinsam mit den deutschen Kommilitonen sitzen sie jeden Dienstag um ein paar zusammengeschobene Tische. Kaffee- und Teetassen stehen herum, an der Tafel hängen große Papierbögen. Darauf sammeln sie die Ideen für ein Projekt. Nacheinander stellen alle ihre Einfälle vor, ganz ohne Hemmungen – trotz mancher Sprachprobleme.

„Man ist hier frei und kreativ, es ist wie ein Treffen von Künstlern“, sagt Jonathan aus Guatemala-City. Diese Arbeitsatmosphäre ist für ihn eine ganz neue Erfahrung. In Guatemala ist das Studium eher durch einen genauen Stundenplan und die Vorgaben des Dozenten bestimmt. „Hier hat man ein Menü aus Optionen und entscheidet selbst.“ Das gefällt Jonathan. Und dann Berlin, diese „aufregende und lebendige Stadt“. An der Spree studieren zu könne, das hat viele Studenten gelockt: „Diese Stadt vibriert an jeder Ecke“, sagt Frank Ma aus den Vereinigten Staaten. Für das nächste halbe Jahr wohnt er im Prenzlauer Berg. Wegen der gemütlichen Cafés und der kreativen Atmosphäre.

Kreativ ist auch die Stimmung im Projektseminar. „Es sind so viele unterschiedliche Nationen und Kulturen, die sich gegenseitig inspirieren“, sagt Professor Hartmut Ginnow-Merkert. Die Studenten sollten nicht ständig in kleinen Gruppen vor sich hin werkeln, sondern auch alle gemeinsam neue Ideen entwickeln. Ginnow-Merkert lehnt in Jeans und Strickjacke neben der Tafel. Er setzte sich seit Jahren persönlich dafür ein, dass ausländische Studierende nach Berlin kommen und Berliner Studenten im Austausch internationale Erfahrung sammeln können. Durch Kontakte zu etlichen Universitäten und Professoren im Ausland sind rege Austauschbeziehungen entstanden. Im Seminar spricht Ginnow-Merkert mal Deutsch, dann wieder Englisch und zwischendrin Spanisch, damit ihn auch wirklich alle gut verstehen.

Wie anregend das nationale Miteinander ist, zeigt sich beim Thema Telekommunikation. Wie lässt sich dabei wertvolle Energie sparen? Ein Student aus Korea schlägt vor, das Mobiltelefon zur Parkplatzsuche zu verwenden. Auf dem Display könnten auf Knopfdruck freie Plätze angezeigt werden, dann würde das unnötiges Herumfahren mit dem Auto vermieden.

„Interessanter Einfall“, findet Ginnow-Merkert und lächelt aufmunternd. Für ihn zeigt sich hier der unterschiedliche kulturelle Hintergrund. „In Korea lebt man eben auf engstem Raum in großen Wohnblocks, da ist der Platz zum Parken rar“, sagt der Professor, der selbst schon mehrmals dort war. Von anderen lernen, das sei eben unersetzbar: Damit die Studenten auf den späteren Job gut vorbereitet sind. „Ihr Arbeitsplatz ist die Welt, also müssen wir sie dafür fit machen.“

Anna Bilger

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