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Integration: Ein Verein als Vermittler zwischen den Kulturen

Schulprobleme, Behördengänge, Arztbesuche: Mitarbeiter von Dolmetschdiensten und Beratungsstellen helfen Migranten, sich in Berlin zurechtzufinden. Den Neuköllner Hilfsverein "Al-Dar" gibt es bereits seit 26 Jahren.

Der elfjährige Elias* aus Neukölln hat einen schwierigen Weg hinter sich. Er hat Lern- und Konzentrationsschwächen, stottert und sollte wegen eines Umzugs seine Förderschule wechseln. Auf einmal jedoch stand er ganz ohne Schulplatz da. Sieben Wochen musste er warten, bis die bürokratischen Hürden aus dem Weg geräumt waren. Ein Missverständnis, hieß es aus dem Bezirksamt. Der Schulplatz ist nun da. Therapeutische Hilfe sei jedoch bislang nicht bewilligt worden, sagt Elias’ Mutter Leyla El-Ashkar*.

Bei ihren Bemühungen um Hilfe steht der aus dem Libanon stammenden Familie der Neuköllner Verein „Al-Dar“ zur Seite. Seit 26 Jahren helfen dessen Mitarbeiter arabischstämmigen Familien, mit dem Alltag in der Stadt zurechtzukommen. Sie vermitteln etwa bei Problemen in der Schule oder versuchen, Arbeitslosen den Wiedereinstieg in den Job zu erleichtern. In Elias’ Fall ist der Verein in Kontakt mit Schul- und Jugendamt: Damit Elias eine Therapie bekommt und vielleicht von einem Förderzentrum auf eine normale Schule wechseln kann – ein großer Wunsch der El-Ashkars. „Wir sind sehr dankbar für die Unterstützung von Al-Dar“, sagt Leyla El-Ashkar.

Knapp eine halbe Million Ausländer lebte Ende letzten Jahres in Berlin, jeder fünfte Berliner hat Migrationshintergrund. Weil einige von ihnen nicht ausreichend deutsch sprechen und sich deswegen scheuen, Hilfe aufzusuchen, gebe es in Berlin „viele fremdsprachige Beratungsangebote, die sehr gut angenommen werden“, sagt John Röhe von der Senatsveraltung für Integration und Soziales. In einer 260 Seiten dicken Broschüre der Verwaltung sind viele Ansprechpartner für Migranten aufgeführt – allerdings nur auf Deutsch. 

Wer das noch nicht so gut beherrscht, bekommt Unterstützung etwa vom Berliner „Gemeindedolmetschdienst“. Der hilft seit 2003 dort, wo Sprach- und Kulturprobleme die Verständigung erschweren: In Kitas und Schulen, in Jugendämtern und im Krankenhaus. Die 130 Dolmetscher sprechen insgesamt fast 50 Sprachen, ihre Arbeit ist gefragt: Im vergangenen Jahr wurden sie 4500 Mal angefordert. „Es ist wichtig, dass es neutrale Vermittler gibt. Die schaffen Sicherheit und Vertrauen“, sagt Mitarbeiterin Sabine Oldag – auf beiden Seiten.

Familie El-Ashkar etwa kam vor acht Jahren aus dem Libanon nach Berlin. Seit einem Jahr geht die Familie regelmäßig zur Beratung zu „Al-Dar“. Für Elias und ihre anderen drei Kinder bekommt Leyla El-Ashkar dort Tipps zu Erziehung und Hilfestellung in der Schule, lässt sich bei der Wahl des richtigen Fußballvereins für die Söhne helfen und schickt die Kinder zur Hausaufgabenhilfe.

Wie bei den El-Ashkars geht es auch bei anderen Familien häufig um die Schule, immer wieder auch um Besuche bei Ämtern oder beim Arzt. „Gerade im gynäkologischen und psychiatrischen Bereich gibt es bei Muslimen viele Tabukrankheiten“, sagt Sabine Oldag. „Manche werden nur in Metaphern ausgedrückt.“ Das Ergebnis: Der Arzt versteht seine Patienten nicht und umgekehrt. Abhilfe schaffen die Vermittler: Sie überwinden nicht nur Sprachhindernisse, sondern wissen auch, wo interkulturelle Missverständnisse auftreten können.

Auch Renée Abul-Ella ist eine Mittlerin. Die 66-jährige Palästinenserin ist die Gründerin von „Al-Dar“. Vor mehr als 30 Jahren kam sie nach Berlin, wenige Jahre später gründete sie eine Selbsthilfegruppe für arabische Frauen. Daraus entwickelte sich die Beratungsstelle des Vereins. „Wir zeigen den Leuten den Weg in diese Gesellschaft“, sagt Renée Abul-Ella und ergänzt: „Der Vorwurf, dass ausländische Familien sich nicht integrieren wollten, stimmt meistens nicht.“ Wie El-Ashkars würden sich viele Migranten um Integration bemühen. Oft fehlten dabei nur Ansprechpartner und Vertrauenspersonen. Integration, sagt Abul-Ella, gelinge eben nur im Dialog.

*Name geändert

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