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Interim: Jagd nach einer Phantomzeitung

Aktuelle Ausgabe des Autonomen-Blatts "Interim" wird beschlagnahmt. Doch die Szene war gewarnt.

In Polizei- und Justizkreisen gibt es nur wenig Hoffnung, viele Exemplare des Autonomen-Blatts „Interim“ beschlagnahmen zu können, nachdem dort eine Anleitung zum Bau von Brandbomben veröffentlicht worden war. „Das geht ins Leere“, hieß es bei Sicherheitsexperten. Die Staatsanwaltschaft hatte am Dienstag beim Amtsgericht Tiergarten die Beschlagnahme der Nummer 701 der „Interim“ erwirkt. Das Magazin wird allerdings konspirativ produziert und dann in linken Treffpunkten verteilt. Außerdem sei die Berichterstattung vom Mittwoch in zwei Berliner Zeitungen für die Suche der Polizei nach Exemplaren des Blatts „nicht günstig“, wie ein Sicherheitsexperte sagte. Vermutlich werde jetzt kaum noch etwas gefunden.

Die Staatsanwaltschaft sieht in dem Artikel, in dem der Bau einer Brandbombe mit Gaskartuschen und Benzinflaschen erläutert wird, einen Verstoß gegen das Waffengesetz sowie die Anleitung zu Straftaten. Die anonymen Autoren bekannten sich mit dem Beitrag zu einem Anschlag, der im Oktober auf einen unbewohnten Luxusbau in Kreuzberg verübt worden war. Die „Interim“ gilt laut Verfassungsschutz seit Jahrzehnten als eines der wichtigsten überregionalen Kommunikationsmittel der autonomen Szene. Häufig zitiert die Behörde in ihren Jahresberichten aus dem Blatt. Die erste Ausgabe erschien am 1. Mai 1988. Seither sind über 700 Ausgaben mit Auflagen von jeweils rund 1500 Exemplaren gedruckt und bundesweit in der Szene verteilt worden. Im Gegensatz zu verbotenen linken Zeitschriften wie der „Radikal“ war es das Ziel, ein Magazin herzustellen, das legal in Kneipen und Buchläden ausgelegt werden kann. Trotzdem wird das 32-Seiten-Heft klandestin hergestellt. Jeder kann für die „Interim“ schreiben, indem er anonym Texte in einen toten Briefkasten wirft.

Schon 1997 versuchte die Polizei erfolglos den „Interim“-Machern auf die Spur zu kommen. Damals durchsuchten 500 Polizisten Wohnungen in Friedrichshain, Neukölln und Kreuzberg. 900 Exemplare der Zeitschrift wurden beschlagnahmt. Zwölf Personen wurde „Belohnung und Billigung von Straftaten“ vorgeworfen, acht von ihnen wurden vorläufig festgenommen. Weitere Ermittlungsverfahren gegen die „Interim“ Ende der 90er Jahre, wegen des Werbens für eine terroristische Vereinigung, mussten eingestellt werden, weil Verfasser oder Hersteller nicht zu identifizieren waren.

„Wir lassen uns das Diskutieren nicht verbieten, das Konstrukt einer „Interim“-Redaktion ist lächerlich“, heißt es zu den Verbotsversuchen auf der Internetseite der Zeitschrift. Es gebe weder eine feste Redaktion, noch einen ständigen Produktionsort. Jede Ausgabe werde im Wechsel von verschiedenen Gruppen hergestellt und vertrieben. Was den Inhalt angeht, berufen sich die Autoren auf die Pressefreiheit. Neben linksradikalen Theoriediskussionen werden im Blatt vor allem Bekennerschreiben für Anschläge abgedruckt, aber auch Anleitungen für den Bau von Molotow-Cocktails oder Hakenkrallen, mit denen während der Castortransporte immer wieder Eisenbahnoberleitungen zerstört wurden.

Vor kurzem nutzte die Polizei das Blatt zu Ermittlungszwecken. Im Zuge des Verfahrens gegen mutmaßliche Mitglieder der „Militanten Gruppe“ wurde bekannt, dass ausgerechnet Ermittler des Bundeskriminalamts mehrfach fingierte Artikel in der Zeitschrift veröffentlicht hatten. Unterzeichnet waren die Texte zur Militanzdebatte mit dem Namen „Die zwei aus der Muppet-Show“. Ziel der Aktion war es, eine Reaktion auf die Einsendungen zu provozieren, um Anhaltspunkte über mutmaßliche Unterstützer der MG zu erhalten. Die Leser sollten auf eine bestimmte Webseite des BKA gelockt werden, um über die IP-Adressen an die Identitäten der Besucher zu gelangen. Tsp

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