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Pfarrer Gregor Hohberg, Rabbiner Tovia BenChorin und Imam Kadir Sanci (v.l.) sind für den Bau eines multireligiösen Gotteshauses.

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Interreligiöses Projekt in Berlin-Mitte: Die Initiatoren des "House of One" sind optimistisch

Mit dem Drei-Religionen-Projekt „House of One“ am Ort der verschwundenen Petrikirche in Mitte geht es eigentlich voran. Doch die Anwohner wollen Fortschritte sehen.

"Hier entsteht – mit Ihrer Hilfe – etwas weltweit Einmaliges", verkünden neben der sechsspurigen Gertraudenstraße zwei Schilder auf einem Unkrautfeld. Der Kontrast zwischen dem Status quo des umzäunten, verwildernden Terrains und der globalen Verheißung wirkt krass. Auf der Brache breitet ungefähr da, wo bis 1964 der 111 Meter hohe Petrikirchturm den Himmel über der Fischerinsel anpiekste, ein gewaltiger Ahorn seine Zweige aus.

Wenn an dieser historischen Stelle der einstigen Doppelstadt Cölln-Berlin demnächst ein Sakralbau für drei Religionen realisiert werden soll, müsste der Prachtbaum vermutlich weichen. Derzeit werden an zwei Ecken des Platzes Wohn- und Geschäftsimmobilien hochgezogen oder aufwändig saniert. Auf dem Nachbargrundstück steht eine Wellblechhalle, unter deren Dach Archäologen eine mittelalterliche Lateinschule ausbuddeln. Auf dem Gertrauden-Gehsteig erzählen Infostelen die Geschichte des Urquartiers von Alt-Cölln und der vier Petrikirchen, die nacheinander hier zerstört wurden. Auf Gehwegplatten sind verblassende Texte über die Vergangenheit des Ortes zu lesen, bezogen auf seine für drei Bekenntnisse konzipierte Zukunft: dass im sumpfigen Ur-Berlin drei Kirchen auf den wenigen Sandhügeln errichtet wurden; dass es in der ersten Petrikirche nicht nur einen Altar, sondern viele, von Grafen und Kaufleuten gestiftete Altäre gab. Dazu rauscht der Verkehr, Presslufthämmer knattern.

Die erste Bauphase kostet 10 Millionen Euro

„Es sieht sehr gut aus“, sagt Gregor Hoberg, der im Vorstand der „Initiative Beta- und Lehrhaus Petriplatz“ die Kirchengemeinde St- Petri – St. Marien vertritt. Damit meint der Pfarrer nicht den Zustand des Bauplatzes, sondern den Auftrieb der lange dümpelnden Spendenaktion. 10 Millionen Euro werden für die erste Bauphase benötigt, das Archäologie-Fenster im Untergeschoss, das Zwischengeschoss für Veranstaltungen, die als Dachterrasse nutzbare Kellerdecke. Zur Realisierung weiterer Abschnitte – Phase 2 beinhaltet den muslimischen, den jüdischen, den christlichen Sakralbau sowie die gemeinsame Zentralhalle; Phase 3 den Turmabschluss der Stadtslogan mit Lichtkegel – müsste das Kapital bei 25 Millionen, dann bei 43,5 Millionen aufgelaufen sein.

Der frühere Petriplatz ist derzeit eine lärmumtoste Brache an der Leipziger Straße. Hier soll einmal das „House of One“ entstehen.
Der frühere Petriplatz ist derzeit eine lärmumtoste Brache an der Leipziger Straße. Hier soll einmal das „House of One“ entstehen.

© Tagesspiegel

Spenden aus Glücksspielerträgen mussten zurückgewiesen werden

Eigentlich gehört zum Konzept die Vorstellung, das gewagte Vorhaben durch Crowdfunding von unten zu legitimieren. Der Durchbruch in die Millionensphäre erfolgte jedoch vor wenigen Wochen durch Zusagen des Landes Berlin (1,1 Millionen Euro) und des Bundesbau-Ministeriums (2,2 Millionen): was Hohberg am Ideal der Basisfinanzierung nicht zweifeln lässt. Der aktuelle Kassenstand liege bei 4.333.340 Euro, der Baustart anno 2019 zeichne sich ab. Über 3000 Einzelspender seien schon dabei. Einmal habe man eine (per Pokerpartie gesammelte) Gabe zurückweisen müssen – Glücksspielerträge sind schließlich für fromme Muslime tabu.

Kritischen Fragen zum „House of One“ begegnet der Pfarrer optimistisch. Ist der Standort an dieser durch Krieg und Brachial-Planung entstellten Topografie geeignet? Hohberg sagt: Er glaube, wie die Stadtentwickler, dass sich vom Bode-Museum bis zum Petriplatz, diesem "Urort" Berlins, mit dem Archäologischen Zentrum und dem alt-neuen Kaufhaus Hertzog am Eck ein großartiges Viertel entwickeln werde.

Aber zeigt sich nicht, dass die Ökumene hier zu personenfixiert strukturiert wurde: wenn der Gründungs-Rabbiner Tovia Ben Chorin bereits ausgeschieden ist; wenn der muslimische Initiator, Imam Kadir Sanci, als Vertreter des zur Gülen-Bewegung (Hizmet) gehörenden „Forum Dialog“ politisch hinterfragt wird? Oder wenn Gregor Hohberg mal in eine andere Pfarrei wechseln sollte?

Im "House of One" sollen sich die Religionen kennenlernen

„Dann übernimmt mein Nachfolger“, sagt Hohberg. Die Ablösung Rabbiner Ben Chorins durch Rabbiner Andreas Nachama sei problemlos gelaufen. Und für Imam Sanci – „der muslimische Partner, der es vor der Öffentlichkeit am schwersten hat“ – sei er „des Lobes voll“ nach fünfjähriger Zusammenarbeit.

Trotzdem: Stellt sich ökumenische Vielfalt beim „House of One“ nicht sehr eingeschränkt dar: wenn beispielsweise keine muslimische Organisation außer dem „Forum Dialog“ zum Joint Venture bereit ist? Und hätte man auch die jüdische Chabad-Lubawitsch-Bewegung oder das katholische Opus Dei als Partner akzeptiert? Hohberg sagt salomonisch: Entscheidend ist, dass alle Partner bereit sind, sich an vereinbarte Regeln zu halten.

Diese „Charta für ein Miteinander von Christentum, Judentum und Islam“ proklamiert: Im „für jeden“ zugänglichen „House of One“ sollen Gläubige der drei Religionen ihre Gottesdienste feiern, „unter Einbeziehung der mehrheitlich säkularen Stadtgesellschaft einander kennenlernen“ und den Dialog suchen, mit dem Angebot interdisziplinärer Lehre zu Religion und Geschichte. Es solle dem "Zusammenspiel von Religion und Stadt" am historischen Ort "zu einer zukunftsweisenden Gestalt" verhelfen, um "in verschiedenen Perspektiven dem je Eigenen und Fremden nach-zudenken und gemeinsam für andere da zu sein". Unterschiede sollten „nicht überspielt, sondern ausgehalten werden“. Man verpflichte sich auf "Gewaltlosigkeit", und "Ehrfurcht vor allem Leben" und auf "Wahrhaftigkeit". Herabwürdigung anderer Religionen sowie Handlungen, die „unmittelbar politischen Zwecken dienen“, lehne man ab. Keine der beteiligten Institutionen beanspruche Ausschließlichkeit bei der Vertretung ihres Credos.

So soll das "House of One" einmal aussehen.
So soll das "House of One" einmal aussehen.

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"Pluralismus entwickelt sich durchs Routieren"

Das Ja zum Pluralismus unterstreicht auch Celal Findik, Geschäftsführer beim Berliner „Forum Dialog“ und an der Seite des Imams Sanci im Vereinsvorstand. In seiner Organisation und anderen muslimischen Gruppen sei diese Beteiligung zunächst bei jenen umstritten gewesen, die Kooperationen mit Juden wegen des Nahost-Konflikts „und aus Unwissenheit“ ablehnen. Doch der Islam werde offener. Soviel Freundschaft und Vertrauen wie hier habe er im interreligiösen Dialog noch nie erlebt. Natürlich sei das Gewicht der Protestanten-Gemeinde, bedingt durch die größere Christen-Zahl in der Mehrheitsgesellschaft, hier stärker; der versprochenen Parität tue das keinen Abbruch. Und wenn aus dem Team eines Tages jemand konvertieren wolle? „In Deutschland existiert, Gott sei Dank, Glaubensfreiheit“, sagt Findik. Es gehe nicht um Mission, sondern um Treue zur eigenen Religion, aber: Wer sich das gut überlegt habe, solle das tun, in die eine oder andere Richtung.

Einen weiteren Pluralismus-Aspekt unterstreicht Rabbiner Nachama: Die Moschee baue man nicht für sunnitische Gülen-Leute, den Kirchenraum nicht für liberale Lutheraner, die Synagoge nicht für liberale Juden wie ihn. Irgendwann werde vielleicht eine „superorthodoxe Truppe“ mitmachen, für die habe man in der Synagoge optional Trennschirme zwischen Männer- und Frauen-Bereich anzubieten; die Bima, das Podium zur Thora-Lesung, solle für andere liturgische Traditionen zerlegbar und mobil sein. „Pluralität entwickelt sich durchs Routieren!“ Nachamas Sorge ist: Wie man den Einfluss der Politik aus dem Projekt heraushält. Als nächste, größte Aufgabe begreift er die Definition eines inspirativ anmutenden, bezahlbaren und provisorisch nutzbaren ersten Bauabschnitts.

Geisel: Das "House of One" als "Zeichen des Friedens"

Über den umlärmten Petriplatz, wie er sich ihm einmal nach einem Gottesdienst in der Wellblechhalle der Archäologen beim Heraustreten so drastisch dargeboten habe, sagt Nachama: Er sei „total erschüttert“ von der brutalen Stadtlandschaft an dieser Stelle, verstärkt durch die „Eiger-Nordwand“ auf der anderen Straßenseite. Demnächst solle auf dem Bauland ein Provisorium positive Aussichten ankündigen, ob nun mit Zelten oder Containern, in denen man zusammenkommen kann. Pfarrer Hohberg kündigt an, man werde das öde Gelände ab 2017 mit einer „Kinderbaustelle“ bespielen.

Vom immer noch ziemlich wüsten Zustand des Utopie-Terrains ist auch beim Anwohnertreffen im Nicolaihaus an der Brüderstraße die Rede, zu dem sich rund 100 Bürger mittleren und grauhaarigen Alters eingefunden haben. Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) spricht da zwar von 60 Millionen, die das „House of One“ koste, rühmt es aber als „Zeichen des Friedens für Berlin“. Das Grundstück dürfe nicht verwahrlosen. Anwohner wünschen weitere Bürgergespräche: Das Drei-Religionen-Haus – keiner habe was dagegen – sei „ein kritisches Thema“, erfordere jedoch einen „Lernprozess“. Roland Stolte vom „House of One“-Vorstand resümiert den Erfolgs-Weg bis heute und avisiert: dass ab Frühjahr 2017 ein schöner Platz mit temporärer Bespielung bis zur Grundsteinlegung 2019 geschaffen werde, samt einem Pavillon. Schulen würden sich an der geplanten inhaltlichen Arbeit beteiligen. Gefragt nach dem Pracht-Ahorn, sagt Stolte, ja, der müsse weg, dafür werde natürlich ein neuer Baum gepflanzt.

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