zum Hauptinhalt

Interview: Bürgermeister Schulz: ''Brachen mit Leben füllen''

Der Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg, Franz Schulz, kämpft für Mediaspree-Projekt.

Die Mediaspree-Gegner wollen, grob gesagt, eine Entwicklung verhindern, bei der sie negative Folgen für die Bevölkerung befürchten. Und was versprechen Sie sich?

Die stadträumliche Verbindung von zwei Bezirkshälften, die sich als getrennt empfinden. Zweitens: Arbeitsplätze. Die dritte Komponente: Es geht um große Flächen, die teilweise über Jahrhunderte der Öffentlichkeit vorenthalten waren, etwa der Osthafen oder das Postareal. Die Flächen sollen mit Leben gefüllt und zu urbanen Quartieren werden.

Was bedeutet das für die Revaler Straße in Friedrichshain, für die Schlesische Straße in Kreuzberg?

Wir wollen keine Verdrängungstendenzen im Bezirk. Doch der größte Motor für eine sogenannte Gentrifizierung sind die legalen Mieterhöhungsmöglichkeiten, die das Bürgerliche Gesetzbuch vorsieht. Schon bevor nach 2000 die ersten neuen Mieter in den Bezirk kamen – etwa Universal – hatten wir Mieterhöhungen in Kreuzberg 36 über dem Mittelwert des Berliner Mietspiegels. Das ist passiert, ohne dass sich die Zusammensetzung der Bevölkerung verändert hätte. Es ziehen Haushalte weg, es ziehen gleichartige Haushalte – auch vom Einkommen her – nach. Statistisch gesehen gibt es zurzeit keinen Nachweis für Gentrifizierung. Aber die Sorge davor ist berechtigt.

Wird der Bezirk chic und nobel?

Die Frage ist, ob die Quartiere, die an der Spree gebaut werden sollen, chic und nobel werden. Wir sind erst im Stadium der Bauleitplanung. Was dort entstehen wird, wie die Nutzungsmischung aussieht, steht noch nicht fest.

Die Mediaspree-Kritiker sagen: Sie machen die Bauleitplanung, danach können die Investoren machen, was sie wollen.

Ohne Investoren können Sie keine umsetzbare Bauleitplanung machen – dann planen Sie für die Schublade. Wir haben aber nicht nur die Investoren, wir haben auch die Bürger einbezogen – in hohem Maße. Und wenn die SPD sagt, dass ich Baurecht oder Planungsrecht vergebe, ist das völliger Quatsch. In Friedrichshain-Kreuzberg machen wir bei der Bauleitplanung keinen Schritt ohne die Zustimmung der Bezirksverordnetenversammlung. Und zusätzlich machen wir öffentliche Veranstaltungen schon zur Aufstellung des Bebauungsplans.

Was antworten Sie auf die Argumente derer, die gegen die geplanten Investitionen sind?

Die Antragsteller fordern seit eineinhalb Jahren einen 50 Meter tiefen unbebauten Streifen an der Spree, um den Zugang zum Fluss zu erhalten. Dies verfolgen wir als Bezirksamt seit 14 Jahren. Bis auf einige kleine Abschnitte haben wir erreicht, dass das Spreeufer öffentlich begehbar ist. Zweitens fordern die Antragsteller, geplante Hochhäuser bei 22 Metern Höhe zu kappen. Manche Mediaspree-Gegner assoziieren mit Hochhäusern das Großkapital oder Bürotürme. Dabei sind in Friedrichshain-Kreuzberg so gut wie alle Hochhäuser Wohnhochhäuser.

Welche Einflussmöglichkeiten hat denn der Bezirk?

Relativ große. Aber die nehmen ab, sobald die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung mitmischt. Sie mischt automatisch mit ab einer bestimmten Größe des Bauvorhabens. Sie hat etwa in das Wettbewerbsverfahren zur Anschutz-Arena eine Bruttogeschossfläche von 600 000 Quadratmetern hineingeschrieben. Dann wird der Einfluss des Bezirks sehr gering.

Ihr Parteifreund Christian Ströbele protestiert bildmächtig gegen das Investitionsvorhaben – Sie sitzen im Beirat von Mediaspree. Bedienen die Grünen Gegner und Befürworter der Ausbaupläne?

Zur Klarstellung: Ich bin im Beirat des Mediaspree-Regionalmanagements. Darin sitzen zum Beispiel Vertreter der Investoren, der Industrie- und Handelskammer, der Wirtschaftsstadtrat, ein Sozialdemokrat. Wir kontrollieren da die Vergabe von öffentlichen Mitteln …

Muss nicht der Eindruck entstehen, grüne Politiker wollten es allen recht machen?

Ich weiß nicht, ob diese Haltung als Spagat zu betrachten ist. Ich bin mir mit den Antragstellern einig, eine Hochhauskulisse auf der Kreuzberger Seite zu vermeiden und die Uferstreifen öffentlich zugänglich zu machen. Das Bezirksamt ist vielleicht pragmatischer, was den Umfang der Freiflächen anbelangt. Vielleicht sieht sich der eine mehr als Visionär, der andere als Pragmatiker …

Man könnte auch sagen: Sie sind der Visionär, weil Sie eine Entwicklung sehen, die möglich ist. Die Mediaspree-Gegner hingegen wollen, dass alles bleibt, wie es ist.

Das kann man vermuten. Für mich ist das eine konservative Haltung – eine Haltung, die die Stadt zur Stagnation und letztendlich zum Sterben verurteilt.

FRANZ SCHULZ ist Bürgermeister von Friedrichshain-Kreuzberg. Zuvor war der Grünen-Politiker Baustadtrat des Bezirks. Mit ihm sprachen Werner van Bebber und Matthias Oloew

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false