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Keim-Alarm in der Charité: Neugeborene sind besonders gefährdet.

© dapd

Interview: "Diese Keime werden von Menschen übertragen"

Keimbefall in der Klinik: Ein Baby ist bereits gestorben, ein zweites schwebt in Lebensgefahr. An der Charité wurde geschlampt - zu diesem Urteil kommt Klaus-Dieter Zastrow, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene.

Von Sandra Dassler

Herr Zastrow, warum verlangen Sie die Entlassung der Ärzte oder Schwestern, die dafür verantwortlich sind, dass Kinder auf der Frühgeborenenstation der Charité an Darmkeimen erkrankten?

Was wollen Sie mit Mitarbeitern, die sich trotz intensiver Ausbildung nicht an Regeln halten und damit Gesundheit und Leben ihrer Patienten aufs Spiel setzen. Man muss da zu drastischen Konsequenzen greifen, auch, weil ihr Verhalten gravierende Folgen für die erkrankten Kinder haben kann.

Frühgeborene sind überaus anfällig – kann da so etwas nicht einmal vorkommen?

Einmal schon, von mir aus auch zweimal wie im Fall der Charité. Die hat ja bekanntlich am 8. Oktober zwei Fälle dem zuständigen Gesundheitsamt gemeldet. Aber dass dann bis 20.Oktober weitere 15 Kinder von den Keimen besiedelt wurden und weitere sieben sogar daran erkrankten, ist ein erhebliches Fehlverhalten. Und ein Zeichen von Schlamperei.

Da sind Sie ganz sicher?

Ja, weil diese Keime nicht einfach so durch die Luft oder gar von Kind zu Kind fliegen. Die können nur von Menschen übertragen werden. Für die gelten aber auf Frühgeborenenstationen strengste Vorschriften. Sie dürfen nicht zu den Kindern ohne Mund- und Nasenschutz oder desinfizierte Hände. Egal, ob das nun Eltern, Ärzte oder Schwestern sind.

Warum wurden diese Vorschriften ausgerechnet an der Charité nicht eingehalten?

Das ist keine Besonderheit der Charité. Das erleben wir in vielen Krankenhäusern. Da gibt es Ärzte oder Schwestern, die mit besonders gefährdeten Patienten arbeiten und trotz der Vorschriften Ringe tragen oder sich die Hände eben nicht desinfizieren.

Warum?

Da hört man dann so Sätze wie „Den Ring nicht zu tragen ist ein Eingriff in meine persönliche Freiheit“ oder „Der Alkohol im Desinfektionsmittel schädigt meine Haut“. Und das von Menschen, die jahrelang medizinisch ausgebildet wurden. Die genau wissen, dass sie damit im schlimmsten Fall den Tod eines Menschen oder ein lebenslang geschädigtes Kind riskieren.

Besteht diese Gefahr für die jetzt erkrankten Frühgeborenen?

Ich hoffe, dass es nicht noch mehr werden, bis Sonnabend war ja von erkrankten Kindern noch keine Rede. Aber wenn sie wirklich eine Blutvergiftung haben, kann das schlimm ausgehen.

Oft wird der Personal- und Zeitmangel als Ursache für Infektionen im Krankenhaus genannt. Ist das nur eine Ausrede?

Nein, das ist schon ein sehr reales Problem. Normalerweise sollte sich eine Schwester oder ein Pfleger um ein Frühchen kümmern, aber das ist meist nicht möglich. Und wenn dann bei zwei oder drei kleinen Patienten gleichzeitig die Infusionen zu Ende sind, kann es schon vorkommen, dass man nicht an eine Zwischen-Desinfektion denkt. Aber das muss man dann zumindest anzeigen. In Bremen beispielsweise, wo ja mehrere Babys starben, hatte das Personal zuvor viele sogenannte Überlastungsanzeigen geschrieben. Da musste ja dann der geschäftsführende Direktor auch gehen.

Viele Kliniken sind auch in die Kritik geraten, weil sie die Reinigungsarbeiten ausgelagert haben und die Beschäftigten nicht ausreichend qualifiziert sind.

Das ist natürlich ein Problem. Aber ein zusätzliches. Denn die Putzfrau kommt nicht in Kontakt mit dem Frühgeborenen.

Das Gespräch mit Klaus-Dieter Zastrow in seiner Eigenschaft als Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene führte Sandra Dassler.

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