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Kämpft gegen Diskriminierung. Dilek Kolat, 45, Senatorin für Arbeit, Integration und Frauen, will mehr Stellen in den Beratungszentren.

© Mike Wolff

Interview: „Ausländerfeindliche Witze sind nicht hinnehmbar“

Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD) will das Beratungsnetzwerk gegen Diskriminierung verbessern und prüft ein neues Landesgesetz. Im Interview spricht sie über Diskriminierung im Alltag und ihre persönlichen Erfahrungen.

Von Sabine Beikler

Frau Kolat, sind Sie schon einmal diskriminiert worden?

Ja, ich habe Anfang der 90er Jahre in Berlin Diskriminierung erfahren. Damals gab es große Wohnungsknappheit. Ich suchte eine Wohnung und musste erfahren, dass ich keine Wünsche äußern konnte, sondern ich musste damals die Wohnung nehmen, die ich bekam. Am Telefon klangen die Gespräche zunächst sehr positiv. Aber in dem Moment, in dem gefragt wurde, wie ich heiße – ich hieß damals noch Demirel –, hörte ich am anderen Ende der Leitung, dass es doch noch einige Probleme gebe. Einmal wurde ich gefragt, wie türkisch ich denn lebe. An meinem Akzent hat man meinen Migrationshintergrund nicht herausgehört, aber wenn mein Name fiel, änderte sich die Gesprächsführung rapide.

Was sind heutzutage die häufigsten Arten von Diskriminierung?
Es gibt Alltagsdiskriminierung, die sich einschleicht. Da müssen wir sensibler werden. Es betrifft alle Merkmale von Diskriminierung, sei es wegen ethnischer Herkunft, Geschlechts oder Religion. Man muss stark sein und darüber hinwegschauen können. Und man muss schlagfertig sein, um dem etwas entgegensetzen zu können. Vielen Menschen fällt es nicht auf, dass es Diskriminierung gibt. Es ist wichtig, Zivilcourage auch bei Alltagsdiskriminierung zu zeigen. Ausländerfeindliche Witze zum Beispiel dürfen nicht einfach hingenommen werden.

Laut Forsa-Umfrage ist ein Drittel der Berliner schon diskriminiert worden. Beunruhigt Sie das?
Wenn jeder Dritte Diskriminierung erlebt hat, ist das sehr hoch. 67 Prozent sind der Meinung, dass soziale Herkunft ein Diskriminierungstatbestand ist. Das muss man ernst nehmen.

Was kann man dagegen tun?
Wir müssen Teilhabe ermöglichen auch für Menschen, die sich das finanziell nicht leisten können. Sie brauchen Teilhabe an Bildung, am gesellschaftlichen Leben. Auch Kinder aus sozial schwachen Familien dürfen nicht ausgeschlossen werden, sondern müssen die Möglichkeit erhalten, an Freizeitangeboten teilzuhaben. Berlin bietet viele Möglichkeiten dafür an – etwa mit dem Berlin-Pass.

"Diskriminierte Menschen dürfen das nicht einfach hinnehmen"

Die Landesantidiskriminierungsstelle gibt es jetzt fünf Jahre. Was ziehen Sie für eine Bilanz?
Wir haben eine lückenlose Beratungsinfrastruktur aufgebaut. Menschen können sich bei einer spezifischen Diskriminierung an 16 Beratungsstellen wenden und mit auf solche Fragen spezialisierten Experten sprechen. Ein Großteil ist in freier Trägerschaft. Meine Senatsverwaltung bietet Beratung bei Diskriminierung wegen des Geschlechts an. Wir werden die Anlaufstellen bei Diskriminierung wegen des Alters und der Behinderung im Beratungsnetzwerk ausbauen. Das wird ein Schwerpunkt in den Haushaltsberatungen sein.

Wie macht sich Altersdiskriminierung bemerkbar?
Ich will eine Initiative starten, um Beispiele bekannt zu machen. Warum muss in Berlin ein Bezirksstadtrat mindestens 27 Jahre alt sein. Warum kann man das nicht schon mit 25 werden? Oder warum ist bei der Freiwilligen Feuerwehr mit 45 Jahren Schluss?

Auf Bundesebene wurde 2006 das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz verabschiedet. Es soll Diskriminierung wegen Rasse, ethnischer Herkunft, Geschlechts, Religion oder Weltanschauung verhindern. Aber es schützt nicht vor Diskriminierung durch den sozialen Status. Wie wollen Sie diese Lücken schließen?
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist sehr wichtig, weil man sich auch juristisch gegen Diskriminierung wehren kann und Schadenersatz beanspruchen kann. Um Diskriminierung wegen der sozialen Situation auszuschließen, ist die gesamte Politik gefragt. Das ist eine Querschnittsaufgabe.

Warum gibt es noch kein Landesantidiskriminierungsgesetz?
Wir prüfen die Etablierung eines solchen Gesetzes und eruieren gerade, wo wir weitere Landesregelungen benötigen. Ich stehe einem Landesantidiskriminierungsgesetz nicht ablehnend gegenüber.

Ihr Haus führt seit zwei Jahren eine Initiative zur Akzeptanz sexueller Vielfalt durch. Wie sieht das konkret aus?
In den vergangenen zwei Jahren haben wir mehr als 60 Einzelmaßnahmen im Rahmen der Initiative Akzeptanz Sexueller Vielfalt umgesetzt. Wichtige Schwerpunkte waren dabei beispielsweise gesellschaftliche Aufklärung, rechtliche Gleichstellung und Maßnahmen im Bildungsbereich. Wir wollen diese Initiative stetig weiterentwickeln und die Akzeptanz voranbringen. Aufgrund ihrer sexuellen Orientierung werden nach wie vor viele Menschen diskriminiert. Ein gleichberechtigtes Leben ist nach wie vor nicht immer gesichert. Wichtig ist, die Selbsthilfeorganisationen zu stärken und das Thema in allen Bereichen aufzurufen. Durch umfangreiche Kampagnen sorgen wir dafür, dass im Stadtbild die sexuelle Vielfalt immer sichtbarer wird.

Was raten Sie Betroffenen, wenn sie Diskriminierung erfahren haben?
Diskriminierte Menschen dürfen das nicht einfach hinnehmen. In extremen Fällen sollte man Beratungsstellen aufsuchen. Es reicht aber manchmal schon aus, laut darauf hinzuweisen, dass die Aktion oder das Gesagte schon diskriminierend gewesen ist. Und Zeugen sollten Beistand leisten und Zivilcourage zeigen. Man sollte handeln und auch wirklich den Mund aufmachen.

Sie sind als SPD-Kreischefin Tempelhof-Schöneberg Mitglied des Landesvorstands. Was sagen Sie zum derzeitigen Zustand der Berliner SPD?

Wir erleben zurzeit einen offenen Wettbewerb um den Parteivorsitz. Ich glaube, dass wir aus dieser Debatte am Ende gestärkt hervorgehen. Wichtig ist, dass die SPD ihr Profil schärft.

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