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Die Frau an der BSR-Spitze.

© Thilo Rückeis

Interview mit BSR-Chefin Tanja Wielgoß: "Insgesamt ist Berlin sauber"

Hat Berlin ein Müllproblem? Die BSR-Chefin Tanja Wielgoß spricht über den Ku'damm, knuffige Mülleimer in Friedrichshain und ihre Bio-Tonne.

Von Sabine Beikler

Frau Wielgoß, trinken Sie Coffee to go?
Selten. Ich setze mich beim Trinken und Essen lieber hin.

Berlin leidet unter einer Kaffeebecherflut. In den 21 500 Papierkörben landen immer mehr davon. Wissen Sie, wie viele?
Wir kennen keine Zahlen. Mit der Humboldt-Universität erarbeiten wir eine Studie zu den Hauptthemen in der Straßenverunreinigung. In der letzten vor gut fünf Jahren waren die Becher noch kein Thema. Das hat sich geändert.

Sie haben wegen des To-Go-Trends größere Behälter aufgestellt mit 360 Liter Fassungsvermögen. Ist das die Lösung?
Diese Bubble-Behälter werden an den derzeit 50 Standorten sehr gut angenommen. Sie sehen knuffig aus, haben ein gutes Design und sind erkennbar als Abfalleimer. Sie sind nicht nur wegen des To-Go-Trends aufgestellt worden, sondern wegen des Massenandrangs auf bestimmten Plätzen. Wir warten zum Beispiel auf Beendigung der Straßenbauarbeiten im Simon-Dach-Kiez. Dann werden die Kugeln auch dort aufgestellt.

Die BSR pflegt seit April in einem Pilotprojekt Bäume und Mittelstreifen in Charlottenburg-Wilmersdorf. Wie ist die Bilanz?
Dabei geht es um Straßenbegleitgrün, also Bäume und Grünflächen neben Straßen, die wir jetzt schon reinigen. Wir testen Synergieeffekte. Wenn ich zum Beispiel den Rasen mähe, kann ich leichter Unrat aufsammeln. Oder man macht den Baumschnitt vor der Straßenreinigung. Wir sammeln hier Erfahrungen. Mit einem so heißen Sommer hatten wir zum Beispiel nicht gerechnet, mussten viel mehr wässern als geplant.

Manche Parks sehen nach einem Wochenende so aus, als sei die Loveparade durchgezogen. Könnte sich dort die BSR nicht statt der Bezirke ums Grün kümmern?
Wir wären in der Lage, Parks auch am Wochenende zu reinigen. Das hätte für die Stadt auch einen großen Mehrwert. Sauberkeit ist nicht nur eine Sekundärtugend, sondern ist verbunden mit Sicherheit und Wohlbefinden. Die Ladenöffnungszeiten haben sich geändert, so dass die BSR flexibler agieren muss. Seitdem wir am Kurfürstendamm öfter reinigen, ist man dort begeistert, weil sich das positiv auf die Geschäfte auswirkt.

Sie sind seit Anfang der 2000-er Jahre hier. Ist Berlin eine schmutzige Stadt?
Insgesamt ist Berlin sauber. Ich habe zuvor in Paris gelebt, das in meinen Augen nicht so sauber war wie Berlin. Aber es gibt auch in Berlin noch Ecken, die sauberer werden könnten.

Seit 2013 gibt es zwei neue höhere Reinigungsklassen. Wie oft wird der Touristen- Hotspot Warschauer Straße gesäubert?
Seit Anfang Juni wird die Warschauer Straße bedarfsgerecht gereinigt, im Durchschnitt zehn Mal die Woche bis 22 Uhr. Wie der Ku’damm gehört die Warschauer Straße zur neuen Kategorie 1a.

Berlin erwartet bis 2030 etwa 250 000 Neubürger. Wie stellt sich die BSR auf mehr Einwohner und mehr Abfall ein?
Für die BSR ist Logistik das A und O. Dazu braucht es auch die Kooperation mit der Wohnungswirtschaft zum Beispiel bei Neubauten. Oft wird bei der Planung nicht berücksichtigt, wo die Abfallcontainer aufgestellt werden. Die müssen dann manchmal aus Tiefgaragen rausgerollt werden.

Ich habe mit meiner Familie mit einer Baugruppe in Friedrichshain gebaut. Wir haben unseren Müllplatz direkt mit Zugang zur Straße. Das ist für die Müllwerker eine enorme Erleichterung. Und für uns Bewohner ebenso, denn wir hören die Kollegen nicht, wenn sie schon früh unterwegs sind und Tonnen leeren.

Mehr Müll erzeugt höhere Gebühren. Die BSR hat einen pauschalen Öko-Tarif von 24,60 Euro pro Jahr und Haushalt. Werden die Tarife absehbar steigen?
Mehr Müll kostet mehr, verteilt sich dann aber auch auf mehr Einwohner und führt damit nicht zu mehr Gebühren für den einzelnen Haushalt. Wir wollen künftig deutschlandweit unter den Top fünf der günstigsten Müllgebühren bleiben.

Berlin hat einen Flüchtlingsandrang zu bewältigen. Wie hat sich die BSR darauf eingestellt?
Müll darf nicht herumliegen, weil es hier um Hygienestandards geht, die unbedingt einzuhalten sind. Wir haben Ansprechpartner für die Reinigung wie auch für die Müllabfuhr gefunden. Wir reinigen zweimal täglich am Lageso. Insgesamt haben wir derzeit 700 zusätzliche Leerungen von Mülltonnen pro Woche. Ich bin sehr dankbar, dass unsere Mitarbeiter da mitziehen.

In Berlin werden 68 000 Tonnen Bioabfall produziert. Viele wollen den Bioabfall nicht trennen, weil er stinkt. Sammeln Sie?
Ja, ich sammle Bioabfall, aber noch nicht so lange. Die BSR vertreibt kleine Plastikeimer, die gut durchlüftet und so dimensioniert sind, dass man nicht permanent zur Mülltonne laufen muss. Es stinkt nicht mehr. Wir haben mit dem Bioabfall zu Hause keine Probleme mehr.

Es gibt Klagen, dass immer mehr Gehwege für die maschinelle Schneeräumung nicht geeignet sind. Wäre das ein neues BSR-Betätigungsfeld?
Unsere Aufgabe ist der Winterdienst auf den Straßen, und der ist bei der BSR generalstabsmäßig organisiert. Der Winterdienst auf Gehwegen ist laut Gesetz Aufgabe der Grundstückseigentümer. Manche machen das selbst, andere beauftragen Firmen damit. Derzeit sehe ich eine sehr uneinheitliche Meinungslage zu dem Thema bei den Anwohnern, aber auch in der Politik. Und vielleicht haben wir ja Glück und es bleibt bei den milden Wintern der letzten Jahre.

Sie sind nach Ihrer Vorgängerin Vera Gäde-Butzlaff die zweite Frau an der BSR-Spitze. Der Frauenanteil liegt in der Wirtschaft im Durchschnitt in der ersten Führungsebene bei 15 Prozent, in der zweiten bei 18 Prozent. Wie sieht bei der BSR die Frauenquote aus?
Der Frauenanteil in den Führungsebenen liegt in der BSR bei 34 Prozent. Bis 2017 wollen wir 40 Prozent erreichen. Die 100-prozentige Tochter Berlin Recycling hat einen Frauenanteil von 20 Prozent, der bis 2020 auf 30 Prozent steigen soll.

Wie organisieren Sie als Chefin von 5300 Mitarbeitern und als zweifache Mutter Ihr Familienleben? Blocken Sie bewusst Zeiten für die Familie?
Ja, sonst geht es nicht. Mein Mann ist auch berufstätig, die Kinder sind fast sieben und fast fünf Jahre alt. Ich versuche, pro Woche nicht mehr als drei Abendtermine wahrzunehmen. Bei Terminen am Wochenende nehme ich die Kinder wenn möglich mit. Da ist es schön, dass Müllabfuhr und Reinigung für die Kinder so attraktiv sind.

Die BSR hat ihr Image durch die Kampagne „We kehr for you“ erheblich verbessert. Planen Sie weitere Slogans in Berlin?
Wir gehen vor allem auch neue Wege. Gerade haben wir den Sieger des Clean Clip Contests, des Online-Sauberkeits-Ideenwettbewerbs, gekürt. Es gab Preise in den Kategorien Realität, Utopie und Video. Die jungen Menschen hatten tolle Ideen - die Preisträger sind auf Youtube zu sehen. Ein anderes Beispiel ist unser Papierkorbkino, die Papierkörbe sind mit entsprechenden QR-Codes versehen. Vor dem Zoo zum Beispiel ist ein Affe die Hauptperson eines Filmes. Einfach mal anschauen unter papierkorbkino.bsr.de.

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