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Frank Henkel, 50, ist seit zweieinhalb Jahren Bürgermeister und Innensenator. In der rot-schwarzen Koalition hatte es immer wieder Streit gegeben, nun ist sie vom Rücktritt des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit erschüttert worden. Henkel, der in Ost-Berlin geboren wurde und dessen Familie 1988 nach West-Berlin übersiedelte, ist seit 2008 Vorsitzender der Berliner CDU.

© Mike Wolff

Interview mit Frank Henkel: Innensenator findet: „Jetzt ist Zeit zum Regieren“

CDU-Chef Frank Henkel über die Wahl in Brandenburg, den Rücktritt Klaus Wowereits, seine Pläne für die Koalition und die wachsende Stadt sowie die Regierungsfähigkeit der Berliner Grünen.

Von Sabine Beikler

Herr Henkel, eine aktuelle Frage vorweg: Wie bewerten Sie den Ausgang der Brandenburg-Wahl und insbesondere das Abschneiden der brandenburgischen CDU?

Ich freue mich natürlich, dass sich die Brandenburger CDU verbessert hat und die Linkspartei auf den dritten Platz verweisen konnte. Dazu gratuliere ich meinem Kollegen Schierack sehr herzlich. Jetzt muss abgewartet werden, ob es zu einer Regierungsbeteiligung im Nachbarland reicht.

Und wie sehen Sie die Ergebnisse der AfD?

Wir werden sehen, ob die AfD den Weg der Piratenpartei geht, wie sie mit den absehbaren internen Richtungskämpfen umgeht. Das ist noch völlig offen. Aber wenn eine Partei aus dem Stand auf Augenhöhe mit der SPD kommt, wie in Thüringen, dann kann man das nicht ignorieren. Das ist eine Herausforderung für alle Parteien. Auch wir als CDU werden damit umgehen müssen. Die Kanzlerin hat dazu deutliche Worte gefunden. Eines ist aber klar: Von einer Partei, deren Vorsitzender Lucke sich indirekt nach dem SED-Sicherheitsapparat zurücksehnt, kann ich mich nur abgrenzen. Eine zweite Linkspartei im europafeindlichen Gewand brauchen wir nicht.

Nun aber nach Berlin. Verlieren Sie mit Klaus Wowereit Ihren einzigen sozialdemokratischen Duz-Freund?

Mit Verlaub, wir duzen uns nicht. Klaus Wowereit ist eher jemand, der einen mal duzt, wenn er gut drauf ist. Aber am Kabinettstisch siezen wir uns. Ich sieze alle sozialdemokratischen Kabinettsmitglieder.

Hat Sie Wowereits öffentliche Anspielung auf Ihre telefonische Unerreichbarkeit am Morgen seiner Rücktrittsankündigung getroffen?

Nein. Ich war bei der Kita-Eingewöhnung mit meinem Sohn. Wir haben uns dann später erreicht.

Wurden Sie von Wowereits Entscheidung überrascht?

Ich habe Respekt vor diesem Schritt und bin sicher, dass sich Klaus Wowereit diese Entscheidung nicht leicht gemacht hat. Die letzten Monate waren für ihn bestimmt nicht einfach. Die BER-Kritik, die sinkenden Umfragewerte, die Debatten um seine Person in der eigenen Partei. Ich kann mir vorstellen, dass diese Sachen an ihm genagt haben. Man konnte damit rechnen, dass er mit dem Gedanken an einen Rücktritt spielt. Der Zeitpunkt allerdings war überraschend. Und er hat die Karte ausgespielt, diesen Zeitpunkt selbst zu bestimmen.

Wowereit hat Sie mehrfach in der Koalition brüskiert. Sie erfuhren von einer Verzögerung der BER-Eröffnung aus der Zeitung, und bei Ihrem Versuch, die Räumung des Oranienplatzes per Senatsbeschluss durchzubekommen, hat er Sie nicht unterstützt. Wie ist Ihr Verhältnis?

In der ersten Zeit haben wir in der Koalition – bei Stil- und Umgangsfragen – viele neue Erfahrungen gemacht. Dennoch: Ich würde unser Verhältnis als gut beschreiben.

Vertrauensvoll?

Als gut.

"Die SPD muss das Machtvakuum schnell füllen"

In der SPD treten drei Kandidaten als Wowereit-Nachfolger an. Wer von den dreien wäre Ihnen am liebsten als Regierender?

Die Beantwortung der Frage werde ich der SPD nicht abnehmen. Mir kommt es darauf an, dass die SPD schnell das Machtvakuum füllt und offene Führungsfragen klärt.

Gehen Sie davon aus, dass es am 11. Dezember einen neuen Regierenden Bürgermeister gibt?

Davon gehe ich aus.

Gäbe es Neuwahlen, stünden die Chancen der CDU gut, stärkste Partei zu werden. Aber es gäbe vermutlich eine rot-grüne Koalition und die CDU wäre wieder in der Opposition. Was muss sich ändern, damit die CDU 2016 eine Regierungsoption hat?

Wir haben bis zur nächsten Wahl noch zwei Jahre Zeit. Die CDU-Mitglieder im Senat werden in dieser Zeit weiterhin eine vernünftige Arbeit leisten. Wenn ich mir die Bilanz allein in meinem Bereich anschaue, sind wir ein gutes Stück vorangekommen. Wir haben mehr Polizeipräsenz, 350 neue Stellen, zwei neue Hundertschaften, eine Fahrradstaffel, neue Kontaktmobile, rund 100 Feuerwehrleute mehr. Ich weiß auch: Alles braucht seine Zeit, um zu wirken, aber die Richtung stimmt. Jetzt ist Zeit zum Regieren, nicht um in den Wahlkampf einzutreten.

Aber Sie könnten gerade jetzt in dieser Situation Forderungen gegenüber der SPD stellen. Warum ist die CDU so ruhig?

Mit Blick auf die Koalition bin ich sehr gelassen. Die SPD muss ihre Hausarbeiten erledigen. Wir werden mit der SPD noch früh genug sprechen. Aber im Moment habe ich noch nicht einmal einen Ansprechpartner, von dem ich annehmen kann, dass er im Dezember noch da ist. Es gibt einen gültigen Koalitionsvertrag. Aber ich halte es für notwendig, dass wir für die verbleibenden zwei Jahre so etwas wie ein Maßnahmenpaket verabreden: Denn es gibt viele Herausforderungen, die sich 2011 in der Form noch nicht abgezeichnet haben – etwa die Frage nach der Unterbringung von Flüchtlingen angesichts dramatisch steigender Zugangszahlen, die Situation am BER oder die Herausforderungen einer wachsenden Stadt.

Und eine wachsende Stadt braucht mehr Personal?

Bis 2030 erwarten wir 250 000 Menschen mehr in Berlin. Das ist nach Berliner Lesart ein zusätzlicher Bezirk. Ich bin deshalb dafür, dass wir uns vom Dogma, das Personal auf 100 000 Stellen abzubauen, verabschieden. Wir brauchen zum Beispiel mehr Personal bei Polizei und Feuerwehr, in den Schulen und Kitas, in den Bürgerämtern und wir müssen die öffentliche Verwaltung leistungsfähig halten. Als CDU werden wir auch deshalb weiter Druck in der Koalition machen.

Welche Projekte wollen Sie bis 2016 verwirklichen? Die Eröffnung des Flughafens BER?

Die wäre wünschenswert. Der Zeitplan dafür kommt aber von Flughafenchef Mehdorn. Die anderen Projekte habe ich gerade genannt.

Wenn Sie nun zwei weitere Jahre solide regiert haben werden, kann es sein, dass die CDU die Wahl gewinnt, aber keinen Koalitionspartner hat. Was macht Gespräche mit den Grünen so schwierig?

Es gibt ja mit den Grünen Gespräche. Wir haben Schwarz-Grün in Reinickendorf und in Steglitz-Zehlendorf. Aber wir haben auch eine ambivalente Situation. Was wir in Kreuzberg erleben – Haushaltssperre, Flüchtlingschaos, der Ruf nach Coffeeshops – kann kein Modell für Berlin sein. Für diese Politik stehen aber die Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann und die Kreuzberger Grünen. Die anderen Grünen müssen irgendwann sagen, ob das auch ihr Ansatz ist. Wir werden sehen, ob und wie sich die Grünen weiterentwickeln. Die Grünen müssen beweisen, dass sie regierungsfähig sind, und ob sie klare Entscheidungen treffen können – gerade bei großen Projekten. Beim Tempelhofer Feld haben sie sich nicht klar positioniert, bei Olympia sind sie eher skeptisch. Gerade da hätte ich gerne Verlässlichkeit.

Grünen-Landeschef Daniel Wesener sagte vor kurzem mit Blick auf Äußerungen von CDU-Generalsekretär Kai Wegner: Das Balzen Ihrer Partei sei ja schmeichelhaft, doch müsse sich die CDU auch inhaltlich ändern.

Wir sind selbstbewusst genug, um nicht ängstlich auf die Mitbewerber zu schauen. Unter den fünf beliebtesten Politikern sind laut dem Institut Forsa vier von der CDU. Wir haben wieder zugelegt und sind mit deutlichem Abstand stärkste Partei. Herr Wesener hat auch gesagt, wen er in der CDU vorziehen würde. Das kann ich einordnen. Wenn mich ein Kreuzberger Grüner loben würde, dann hätte ich als CDU-Innensenator etwas falsch gemacht.

Möchten Sie Regierender Bürgermeister werden?

Anders als bei der SPD ist die Führungsfrage in der CDU geklärt. Aber bei uns rufen sich Kandidaten nicht selbst aus, sondern werden von der Partei nominiert. Dem werde ich nicht vorgreifen. Aber ich bin sehr gerne bereit, für meine Partei als Spitzenkandidat in den Wahlkampf zu ziehen.

Sollte es nach Klaus Wowereit weniger um Außenwirkung gehen?

Jede Zeit hat ihren Bürgermeister, der zu ihr passt. Ich hatte mit Klaus Wowereit immer mal wieder Konflikte, schon als Oppositionspolitiker. Aber wer über ein Jahrzehnt eine Stadt regiert, der drückt ihr auch seinen Stempel auf. Wie Berlin heute dasteht, hat auch damit zu tun, wie die Stadt repräsentiert wurde. Es würde Klaus Wowereit nicht gerecht, wenn sein Name am Ende ausschließlich mit einem pannenbehafteten Flughafen verbunden würde.

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