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Michael Müller, Fraktions- und Landeschef der SPD, nimmt wehmütig von Rot-Rot Abschied, aber vertraut jetzt der CDU.

© Mike Wolff

Interview mit SPD-Chef Müller: "Eine Senatorin wäre zu wenig"

Der Berliner SPD-Chef Michael Müller verspricht eine Verjüngung der Landesregierung. Im Interview spricht er über Wehmut beim Abschied von der Linken und über seine erneute Kandidatur für den Landesvorsitz 2012.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Herr Müller, auf dem SPD-Parteitag am Montag werden sich alle freuen, dass die Sozialdemokraten endlich wieder mit der CDU regieren dürfen, oder?

(lacht herzlich). Ich glaube, die Begeisterung hält sich in Grenzen, aber es werden sich alle freuen, dass wir einen guten Koalitionsvertrag und eine gute Ressortverteilung aushandeln konnten – auch mit der CDU. Dieser Vertrag trägt eine sozialdemokratische Handschrift, die SPD kann sehr zufrieden sein.

Im Wahlkampf sagte Klaus Wowereit noch, dass ein Regierungsbündnis mit der Union schwer vorstellbar wäre.

Wir haben etwas anderes gewollt, nämlich eine Koalition mit den Grünen oder der Linkspartei. Wegen des Wahlergebnisses und wegen der Kompromissunfähigkeit der Grünen fielen diese Möglichkeiten aus. Berlin braucht aber eine stabile Regierung und wir wollten einen Partner dafür. Ich gebe gern zu: Wir sind überrascht, dass die Verhandlungen mit der CDU so problemlos, kollegial und vertrauensvoll über die Bühne gingen. Da ist Vertrauen entstanden.

Ist es eine andere CDU als jene, mit der die SPD 2001 nach zehn Jahren großer Koalition gebrochen hat?

Es gibt schon noch die alte Berliner CDU. Aber es gibt auch viele neue und jüngere Köpfe. Und es gibt den Parteichef Frank Henkel, der die Union offenbar gut zusammenhält und neue Akzente setzt. Die CDU bietet immer noch ein buntes Bild, trotzdem sehe ich gute Voraussetzungen für eine stabile Regierung.

Die neue Männerfreundschaft von Wowereit und Henkel wird dieses Bündnis zusammenhalten?

Ob das schon eine Männerfreundschaft ist, da müssen Sie die beiden fragen. Jedenfalls verstehen sie sich. Aber eine Koalition wird nicht nur von zwei Leuten zusammengehalten. Natürlich wird es in den fünf Jahren, die vor uns liegen, auch mal Krisen und Konflikte geben. Da kann ein gutes persönliches Verhältnis dazu beitragen, dass es nicht jedes Mal laut und öffentlich knallt.

Was war das Geheimnis dieser freundschaftlichen Koalitionsverhandlungen?

Eine gute und professionelle Vorbereitung der Gespräche auf beiden Seiten. Streit konnte in jedem einzelnen Fall sachlich beigelegt werden.

Was ist die Botschaft von Rot-Schwarz?

Arbeitsplätze schaffen! Berlin muss den letzten Platz in der bundesweiten Arbeitslosenstatistik abgeben und wirtschaftlich weiter vorankommen. Das setzt Stabilität und Verlässlichkeit voraus. Mit der Wirtschaftspolitik, die wir uns vorgenommen haben, kann das gelingen. Unser zweites Thema ist der soziale Zusammenhalt, die Stadt muss menschenfreundlich, attraktiv und bezahlbar bleiben.

Da treffen offenbar zwei sozialdemokratische Parteien aufeinander.

Es gibt deutliche Unterschiede. Zum Beispiel war es schwer, den Mindestlohn von 8,50 Euro im Berliner Vergabegesetz gegen die CDU durchzusetzen. In der Bildungs- und Integrationspolitik trennt uns einiges, und auch in bundespolitischen Fragen könnte es zu schwierigen Diskussionen kommen.

Hätten Sie mit den Grünen mehr durchsetzen können?

Das weiß ich nicht, wir haben ja jetzt sehr viel erreicht. Außerdem bezweifle ich, dass es mit den Grünen überhaupt möglich gewesen wäre, verlässliche Vereinbarungen zu treffen, die nicht wegen interner Streitigkeiten bei den Grünen wieder aufgekündigt worden wären. Das wäre uns alles nach ein paar Wochen oder Monaten um die Ohren geflogen. Es wäre ein wahres Koalitionsabenteuer geworden.

Mit der CDU kommen Sie heil über den Bundestagswahlkampf 2013?

Ja. Man kann im Wahlkampf bundespolitisch Flagge zeigen und trotzdem lokal zusammenarbeiten. Das funktionierte auch gut mit den Linken.

Der Abschied von den Linken ruft ein bisschen Wehmut bei Ihnen hervor?

Ja. Es waren zehn gute Jahre für Berlin, in denen wir viel erreicht haben. Insbesondere für das Zusammenwachsen der Stadt. Politisch und auch menschlich ist Wehmut dabei.

Bei der SPD rebellieren die Frauen und die jüngeren Genossen drängen nach vorne.

Es gibt eine erwartungsvolle Spannung in der Partei. Alle warten jetzt aufs Regieren. Es wird im Senat aber die versprochene Verjüngung geben…

… zum Beispiel bei den Staatssekretären.

Auch da.

Eine Frau im Senat, mehr ist bisher nicht in Sicht. Wäre das nicht zu wenig?

Eine Senatorin wäre zu wenig. Die SPD hat den klaren Anspruch, dass Frauen in den Führungsgremien von Partei, Fraktion und Senat gleichberechtigt vertreten sind. Ich bin guter Dinge, dass entsprechende Lösungen auch für den Senat gefunden werden.

Stellen Sie sich mal vor, Herr Müller, Sie würden Stadtentwicklungssenator. Was würden Sie als Erstes tun?

Unabhängig davon, wer das Ressort übernimmt: Die Wohnungs- und Mietenpolitik, die kompliziert und schwer voranzubringen ist, sollte sofort angepackt werden. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften müssen gestärkt und der Umgang mit den landeseigenen Liegenschaften verändert werden.

Die Berliner SPD wählt im Juni 2012 einen neuen Vorstand. Sie sind seit 2004 Landeschef, werden Sie erneut kandidieren?

Im Moment sieht’s so aus. Ja.

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