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Der Schöneberger. Jan Stöß, 42, ist seit 2012 Landesvorsitzender der Berliner SPD, die rund 17 000 Mitglieder hat.

© Doris Spiekermann-Klaas

Interview mit SPD-Landeschef Jan Stöß: "Wir konnten am Lageso nicht achselzuckend zugucken"

Der SPD-Landeschef Jan Stöß spricht im Interview über das Lageso und Mario Czaja, über eine stärkere Verwaltung – und ein Gerücht.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Herr Stöß, die Berliner Verwaltung ist in einer schweren Krise und steht, nicht nur wegen der Flüchtlingsprobleme, bundesweit in der Kritik. Auch die Bürgerämter versagen. Was läuft falsch?
Eine leistungsfähige Verwaltung ist sicher das große Thema für 2016, die nächste Legislaturperiode. Wir brauchen eine echte Schubumkehr. Aus der Abbau-Verwaltung muss eine Aufbau-Verwaltung werden. Das erfordert einen erneuten Mentalitätswechsel, genauso wie er beim Wohnungsbau gelungen ist, der jetzt wieder kräftig gefördert wird. Die ersten Weichen sind gestellt: Mit dem Doppelhaushalt bis 2017 hat die Koalition schon 3400 zusätzliche Stellen finanziert.

Das heißt, dass in Summe 11 000 Stellen in den nächsten zwei Jahren neu zu besetzen sind, weil viele Mitarbeiter in Rente und Pension gehen. 2019 und 2021 gibt es dann wieder jeweils 11 000 freie Stellen. Eine riesige Herausforderung. Um das zu schaffen, müssen wir den Landesdienst attraktiver machen, es müssen sich auch Strukturen verändern, zum Beispiel muss über Sammeleinstellungen nachgedacht werden, um qualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen.

Wo kriegt man so viele neue Kräfte her?
Bis 2017 bildet die Berliner Verwaltung 50 Prozent mehr junge Leute aus. 2016 werden es schon über 10 000 Auszubildende sein. Eine garantierte Übernahme für erfolgreiche Absolventen sorgt dafür, dass es wieder attraktiver wird, die Ausbildung beim Land Berlin zu machen.

Dazu gehören aber auch attraktive Gehälter. Berlin zahlt schlecht.
Das stimmt leider in manchen Fällen. Gerade für Quereinsteiger ist der öffentliche Dienst in Berlin nicht besonders anziehend, wenn der Wechsel mit Gehaltseinbußen verbunden ist.

Wenig attraktiv ist auch der Zustand der rot-schwarzen Koalition. Wie soll es weitergehen bis zur Wahl am 18. September 2016?
SPD und CDU haben bis zur Wahl noch wichtige Aufgaben zu bewältigen, vor allem bei der besseren Serviceleistung unserer Ämter und bei der Unterbringung und Integration der Flüchtlinge.

Aber die Stimmung ist grottenschlecht. Vor allem nach dem Rauswurf des Lageso-Chefs Franz Allert, öffentlich gefordert vom Regierenden Michael Müller.
Wir konnten nicht achselzuckend zuschauen, wie sich die Situation am Lageso immer weiter zuspitzt. Wenn Menschen nachts bei Frost auf der Straße sitzen, dann kann man nicht länger warten. Der Abgang von Herrn Allert war überfällig. Es waren nicht die Mitarbeiter des Lageso, die versagten, es gab ein Führungsproblem.

Aber wie das geschah, hat die CDU sehr verärgert …
Die Berlinerinnen und Berliner erwarten zu Recht, dass SPD und CDU mit den Herausforderungen fertigwerden. Von Berlin darf nicht das Signal ausgehen: Wir schaffen das nicht. Das wäre fatal – und Wasser auf die Mühlen der AfD. Aber auch der Bund muss seine Hausaufgaben machen, Zusagen für die Bereitstellung von Bundesliegenschaften für Flüchtlinge müssen eingehalten werden. Das geschieht nur sehr zögerlich, weil dem Bund weiterhin am wichtigsten ist, mit seinen Grundstücken Geschäfte zu machen.

Gibt es zwischen Müller und Mario Czaja noch eine Vertrauensgrundlage? Der Regierende Bürgermeister hätte den Sozialsenator am liebsten vor die Tür gesetzt.
Der Regierende Bürgermeister und die SPD wollten eine schnelle und substantielle Verbesserung der Lage. Herrn Czaja werden alle notwendigen Mittel einschließlich des Personals zur Verfügung gestellt, dann muss es jetzt aber auch klappen.

Das Lageso ist vorerst führungslos. Hilft das weiter?
Die Lage auf dem Platz vor dem Lageso hat sich schon jetzt dadurch entspannt, dass die Menschen jetzt dank unserer Stadträtin Sabine Smentek und Dieter Glietsch nachts endlich in Wärmezelten warten können. Die Situation muss sich aber weiter verbessern. Natürlich muss man genau überlegen, was jetzt klug ist. Die Idee von Innensenator Henkel, hundert Nachwuchsführungskräfte der Polizei im Lageso einzusetzen, kann zum Beispiel keine Dauerlösung sein. Die Kräfte fehlen dann bei der Polizei und an anderer Stelle in der Stadt. Mehr Sicherheit schaffen wir so nicht.

Über 300 Mitarbeiter aus dem Berliner öffentlichen Dienst haben sich gemeldet, um im Lageso auszuhelfen. Bisher wird nur eine Handvoll Freiwilliger eingesetzt. Irgendwas läuft da schief, oder?
Stimmt, das muss besser werden. Vor allem die Innen- und die Sozialverwaltung müssen sich hier besser absprechen. Es frustriert nicht nur die Betroffenen, wenn das freiwillig angebotene Engagement von Mitarbeitern und Pensionären nicht zeitnah eingesetzt wird. Diese Kollegen bringen ja große Erfahrungen mit aus ihrer bisherigen Tätigkeit im öffentlichen Dienst. Sie wären eine große Hilfe.

Warum funktioniert so vieles nicht? Liegt es an den Führungskräften, den Mitarbeitern oder an den Personalräten?
An den Personalvertretungen scheitert es nicht, die Beschäftigtenvertretungen wirken konstruktiv mit. Es fehlt offenbar noch an Steuerungskompetenz in der zuständigen Sozialverwaltung. Da sind wir wieder beim Ausgangsthema – einer besseren Berliner Verwaltung.

Nach dem Jahreswechsel beginnt erst einmal der Wahlkampf. Für die SPD zieht das Dreigestirn Müller, Stöß und Saleh ins Feld. Sind die Reihen bei Ihnen geschlossen?
Dreigestirn? Den Begriff kenne ich bisher nur aus dem Karneval. Richtig ist, dass die Berliner SPD seit der Wahl Michael Müllers zum Regierenden Bürgermeister ein sehr geschlossenes Bild abgibt. Das ist auch die notwendige Bedingung für den gemeinsamen Erfolg. Der SPD wird von den meisten Berlinerinnen und Berlinern zugetraut, die Probleme der Stadt zu lösen. Das ist eine gute Ausgangslage für die Wahlen im nächsten Jahr.

Was ist Ihr Wahlziel: 25 Prozent plus, oder 30 Prozent plus?
Wir wollen stärkste Partei werden und wieder den Regierungschef stellen. Und wir kämpfen darum, unser Ergebnis von 2011 noch einmal zu verbessern.

Damals kam die SPD auf 28,3 Prozent. Man munkelt, Sie könnten nach der Wahl 2016 Innensenator werden. Was halten Sie von der Idee?
Ich finde es ziemlich irre, jetzt Spekulationen über künftige Senatsämter anzustellen. Ich konzentriere mich darauf, dass die SPD ein gutes Wahlergebnis bekommt. Und ich freue mich sehr darüber, dass mich die SPD Mitte als Kandidaten für den spannenden Wahlkreis im Herzen der Stadt rund um den Alexanderplatz aufgestellt hat. Diesen Wahlkreis möchte ich für die SPD zum ersten Mal seit 1990 gewinnen und für eine starke Vertretung der Innenstadt im Abgeordnetenhaus sorgen.

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