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"Das hat es schon immer gegeben". Elternliebe kennt keine Altersgrenze.

© imago/Westend61

Interview über späte Elternschaft: "Eine Scheidung hat größere Effekte als das Alter"

Sind alte Eltern ein Phänomen unserer Zeit und welchen Einfluss hat das auf die Entwicklung der Kinder? Ein Interview mit der Soziologin Michaela Kreyenfeld.

In Berlin sind Eltern im Schnitt 30, wenn ihr erstes Kind zur Welt kommt. Ist späte Elternschaft trotzdem üblich? 

Späte Elternschaft hat es historisch in Deutschland und in anderen Ländern zu jeder Zeit gegeben. Früher war es dann eben das dritte oder vierte Kind, das – häufig ungeplant – noch im höheren Alter der Eltern geboren wurde. Im 18. und 19. Jahrhundert bedeutete späte Elternschaft allerdings, dass ein Kind womöglich früh seine Eltern verlor und zum Waisen wurde, bevor es selbst das Erwachsenalter erreichte. Die hohe Lebenserwartung, die wir heute haben, hat dieses Problem deutlich entschärft. Sie können heute mit 40 Jahren ein Kind bekommen und haben im Schnitt immer noch 40 Jahre Zeit, die Sie mit ihrem Kind verbringen können. Sie können sogar noch ihre Enkelkinder aufwachsen sehen.

Und Menschen, die mit über 60 Eltern werden?

Wenn Sie die Statistiken betrachten, sind das absolute Randerscheinungen, die mit der sozialen Realität in Deutschland nichts zu tun haben. Das Durchschnittsalter bei der ersten Geburt liegt bei Frauen in Westdeutschland bei 29 Jahren und in Ostdeutschland bei 28 Jahren. Und auch die Männer sind im Durchschnitt nur etwa zwei Jahre älter, wenn sie zum ersten Mal Vater werden. Nur drei Prozent der Frauen sind bei der Geburt ihres ersten Kindes über 40. Ich glaube nicht, dass sich durch Social Freezing oder andere medizinische Erfindungen daran etwas ändern wird.

Macht es für ein Kind überhaupt einen Unterschied, wie alt seine Eltern sind?

Eine Scheidung oder Trennung der Eltern hat viel größere Effekte auf die Entwicklung eines Kindes als das Alter von Mutter oder Vater bei der Geburt. Genauso können sich Arbeitslosigkeit der Eltern oder finanzielle Krisen negativ auf das Wohlbefinden der Kinder auswirken. Je früher man das erste Kind bekommt, desto wahrscheinlicher ist es, dass es in einer instabilen Partnerschaft aufwächst und die Eltern beruflich weniger gefestigt sind. Britische und US-Amerikanische Studien haben vielfach gezeigt, dass Kinder von sehr jungen Eltern, insbesondere von Teenagern, größere Probleme in der Schule haben, sozial auffälliges Verhalten zeigen und selbst später dazu neigen sehr früh Eltern zu werden. Ob eine Mutter bei der Geburt ihres Kindes 30, 35 oder 38 Jahre alt ist, ist im Vergleich zu anderen Faktoren, die das Wohlbefinden von Kindern negativ tangieren können, relativ unbedeutend.

Michaela Kreyenfeld ist Professorin für Soziologie an der Hertie School of Governance (Berlin) und Leiterin der Abteiliung „Lebenslauf, Sozialpolitik und Famile“ am Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock.
Michaela Kreyenfeld ist Professorin für Soziologie an der Hertie School of Governance (Berlin) und Leiterin der Abteiliung „Lebenslauf, Sozialpolitik und Famile“ am Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock.

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In welchem Alter sind die Eltern am glücklichsten?

 Relativ klar ist, dass Kinder  – zumindest kurzfristig – glücklich machen. Studien des Max-Planck-Instituts für demografische Forschung in Rostock haben gezeigt, dass die Lebenszufriedenheit von Eltern im Jahr nach der Geburt extrem ansteigt. Bei älteren Eltern zeigt sich dabei ein besonders stark positiver Einfluss der Geburt des ersten Kindes auf das Wohlbefinden. Allerdings geht die Lebenszufriedenheit relativ schnell auch wieder auf Normalmaß zurück. Die Geburt des zweiten und dritten Kindes macht dann zwar auch wieder glücklich, aber so steil nach oben, wie beim ersten Kind, geht es mit der Lebenszufriedenheit dann nicht mehr.

Stehen alte Eltern in unserer Gesellschaft unter Rechtfertigungsdruck?

Die Akzeptanz später Elternschaft unterscheidet sich regional und nach dem sozialem Milieu. In Hamburg oder München fällt eine Frau, die mit 40 Jahren ihr erstes Kind bekommt nicht weiter auf. In eher ländlichen Regionen – besonders in Ostdeutschland – wo das Durchschnittsalter bei der ersten Geburt niedriger ist, ist oft auch die Erwartungshaltung so, dass eine Mutter oder ein Vater möglichst jung sein sollten weiter verbreitet.

Michaela Kreyenfeld ist Professorin für Soziologie an der Hertie School of Governance (Berlin) und Leiterin der Abteilung „Lebenslauf, Sozialpolitik und Famile“ am Max-Planck-Institut für demografische Forschung in Rostock.

Das Gespräch führte Saara von Alten. Lesen Sie hier einen Text von Harald Martenstein über das Vatersein im hohen Alter.

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