zum Hauptinhalt

Berlin: Investoren entdecken die Mieter

Die Berliner kaufen in der Krise keine Wohnungen – Immobilienfirmen müssen umdenken

Mancher Mythos klebt an Berlin wie Kaugummi. Zum Beispiel der von der Mieterstadt. Den wollen die Immobilienunternehmen und die Politiker eigentlich los werden. Und zur Zeit sind die Bedingungen besonders gut: Die Eigentumswohnungen sind billig, die Zinsen niedrig. Trotzdem schlagen die Berliner nicht zu. Deshalb erproben die Immobilienfirmen nun neuen Strategien und umwerben auf einmal wieder die Mieter. Die hatten die meisten lange als Kunden zweiter Klasse verschmäht. Ein Beispiel: Im Viktoria-Quartier in Kreuzberg sind nun nicht mehr nur Käufer willkommen, sondern auch Mieter.

„Wir haben Kunden, die könnten es sich leisten, eine Wohnung zu kaufen“, sagt Bernhard Seebald, der Chef der katholischen Wohnungsbaugesellschaft „Petruswerk“, „aber sie tun es nicht.“ Die Berliner seien verunsichert, viele hätten Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren und durch einen Wohnungskauf auch noch das gesparte Geld. Das bestätigen auch die Maklerverbände und Immobilienexperten der Banken. Andere kaufen keine Wohnungen, weil sie mobil bleiben wollen, falls ihnen morgen eine Arbeit in Hamburg angeboten werde.

„Die Preise für Eigentumswohnungen sind in den vergangenen drei Jahren um bis zu 50 Prozent gesunken“, sagt der Grundstücksauktionator Hans-Peter Plettner, „der Markt ist tot.“ Gestiegen ist hingegen die Zahl der Immobilien, die versteigert werden, weil sich die Eigentümer finanziell übernommen haben: Im ersten Halbjahr 2003 waren es 18 Prozent mehr als im gleichen Zeitraum im Vorjahr. Einige Bauträger wie Trigon haben sich ganz aus dem Wohnungsmarkt zurückgezogen. Andere konzentrieren sich auf Top-Lagen, sagt Michael Schick vom Maklerverband.

Bernhard Seebald vom Petruswerk will künftig zweigleisig vorgehen: Wer sich für eine Wohnungen interessiert, soll sich aussuchen können, ob er sie kauft oder nur mietet und wird dennoch gleichermaßen in die Bauplanung einbezogen. Auch Mieter können sich künftig bei ihm das Parkett aussuchen und bestimmen, wie die Wände gesetzt werden sollen. Dadurch will Seebald die Kunden an sich binden, in der Hoffnung, dass sie sich, wenn sie später doch einen Kauf erwägen, für die Wohnung entscheiden, die sie mitgestaltet haben.

Auch Hans-Joachim Frank von der Research Abteilung der Deutschen Bank rät den Immobilienfirmen: Flexibel sein und die Mieter jetzt in der Krise durch zusätzliche Dienstleistungen für sich gewinnen, anstatt ihnen einfach eine Wohnung zum Kauf vor die Nase setzen.

Vielleicht so wie in der Wohnschlange auf dem Moabiter Werder am Spreebogen. Die Wohnungen dort sollten zuerst verkauft werden. Da es keine Käufer gab, wird nun vermietet – mit Erfolg. Besonders gut kommt der Concierge-Dienst an. Der nimmt nicht nur Pakete an, sondern bügelt Wäsche und repariert die verstopfte Toilette.

Frank plädiert außerdem dafür, mehr Wohnungen zu bauen, die sich wie Lofts gewerblich genauso nutzen lassen wie privat, dann könne der Kunde entscheiden. Und wenn die Mieter als Könige behandelt werden, vielleicht sind sie dann auch künftig eher bereit zu kaufen.

SEITE 14

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false