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Berlin: „Irgendwann ist Berlin nicht mehr sexy“

Unsere Leser diskutieren über Pöbelei und Gewalt

Ich finde, die ganze Diskussion wird falsch geführt. Es wird nicht nur in öffentlichen Verkehrsmitteln, nicht nur in besonderen Stadtteilen und nicht nur durch Außenseitergruppen gepöbelt und gedroht. Leider ist in Berlin insgesamt eine unfreundliche und aggressive Stimmung. Ich lebe seit 1989 in Berlin, habe aber wirklich in keiner anderen Stadt so viel Missmut und Aggression mitbekommen und zwar nicht von Ausländern oder Jugendlichen, sondern von all den ganz normalen Bürgern, Verkäufern, Beamten etc. pp.

Warum hält die Debatte sich jetzt noch so sehr an den negativen Erfahrungen der Berliner auf? Warum beherzigen jetzt die Leser und Einsender nicht schlichtweg die Vorschläge der Kommunikationsexpertin und der Polizei? Wollen wir uns nicht ändern und das eigene Bild um jeden Preis aufrechterhalten? Wann haben Sie einem Mitbürger das letzte Mal die Tür aufgehalten oder freundlich guten Tag gesagt, auch wenn das im Berliner Alltag eher selten ist. Wann haben sie im Supermarkt einmal die Kassiererin um Besonnenheit gebeten, wenn diese sich offensichtlich rüde gegenüber nicht-deutschen Kunden benahm? Das Dilemma eines jeden, der nicht den Vorwurf der Doppelmoral auf sich sitzen lassen will, besteht doch darin, den Neuköllner oder Marzahner Mitbürgern egal welcher Natur einen Vertrauensvorschuss zu bieten: Wir müssen gleichzeitig freundlich die Tür aufhalten und Wege der Kommunikation gegen die potentielle Erregung finden. Ansonsten stoßen wir das Gegenüber immer wieder fort, provozieren fortfolgend Ressentiment. Die Parole des Tages heißt fördern und fordern. Stefan Skupien, Neukölln

Wenn ich zwei oder mehr verwahrlosten Rowdys begegne, sehe ich zu, dass ich mich schnellstens in Sicherheit bringe. Ich denke nicht daran, meine Unversehrtheit zu riskieren, weil verantwortliche Politiker sich auf meine Zivilcourage verlassen. Dass es auch harmlose Begegnungen gibt, ist für Geschädigte ein schwacher Trost.Weicheistrategen, Beschwichtiger und auch bedenkentragende Datenschützer, sie haben ihre Chance gehabt, jahrelang. Es ist an der Zeit einzusehen, dass sie gescheitert sind. Vermutlich fängt alles mit dem Dreck an. Eine Obrigkeit, die zusieht, wie eine Stadt von Hunden zugesch... wird, darf sich nicht wundern, wenn unterstellt wird, dass mit ihrer Tatenlosigkeit auch bei Pöbeleien, Tätlichkeiten und Schmierereien zu rechnen ist. Dr. Eberhard Liss, Lichterfelde

Alle bisher veröffentlichten Zuschriften eint eine gewisse Ratlosigkeit – kein Wunder, denn etwa 30 Jahre verfehlte Integrationspolitik werden sich kaum auf die Schnelle korrigieren lassen. Es hilft nur, sich persönlich klar zu positionieren: gegen jegliche verallgemeinernde Negativhaltung, aber punktuell deutlich gegen Fehlverhalten. Im Übrigen scheint mir die Nichtbeachtung von Regeln, gerade der, die für eine erträgliche Gemeinschaft wichtig sind, ein allgemeines Problem zu sein. Zu laute Musik, zu schnelles Fahren, Rücksichtslosigkeit gegen Schwächere, egozentrisches Durchsetzen der eigenen Interessen, diese Verhaltensweisen finden sich heutzutage doch überall, in jeder Altersgruppe, ungeachtet des Bildungsniveaus oder der Nationalität. Lieber wegschauen als handeln, lieber „machen-lassen“ als sich einmischen – dies dürfen wir uns nicht erlauben, wenn wir etwas ändern wollen. Silvia Twardawa-Lüth, Charlottenb .

Jede S-Bahn mit zerkratzten Scheiben und aufgeschlitzten Polstern sagt das Gleiche wie die weiße Fahne im Krieg: Wir kapitulieren! Erst vor der Gewalt gegen Sachen, jetzt auch gegen Personen? Leider wächst sich das Problem, betrachtet man die demographische Entwicklung, nicht einfach aus. Es wächst an. Ob Berlin, wenn weiter nichts geschieht, dann immer noch so sexy ist, darf bezweifelt werden.

R. Künzel, Berlin

Wie hat Bürgermeister Giuliani New York sicher gemacht? Zero tolerance und Polizeipräsenz. Dennoch gibt es Gegenden,die man meiden muss. Bei uns werden sie auch immer zahlreicher. Wer dort wohnt, zieht weg. Der Schritt bis zu „gated communities“ ist dann auch nicht mehr weit! Barbara Falley

Ein heutiges Erlebnis im „vornehmen“ Zehlendorf: In der S-Bahn sitzen fünf etwa zehnjährige deutsche Schulmädchen. Mexicoplatz steigt ein korrekt gekleideter farbiger Mann ein. Vier der Kinder stürmen mit zugehaltenen Nasen in einen anderen Teil des Wagens. Hochachtung vor dem einen Mädchen! Man fragt sich nur, ob wohl diese Kinder aus Gesprächen ihrer Eltern solches Verhalten herleiten? Gertraud Henrion

Sie wollen mitdiskutieren? Zuschriften an Berlin@Tagesspiegel.de

Dr. Karin Forschner[Mitte]

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