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Berlin: Irrfahrt zum Tatort

Ohne Ziel war der wohnungslose Tunesier mit der S-Bahn unterwegs. Zufällig stieg er in Marzahn aus und erstach dort einen Menschen

Der 24-jährige Tunesier, der am Wochenende einen Menschen erstach und einen weiteren schwer verletzte, hatte keinen festen Wohnsitz mehr. Er soll aus bislang ungeklärten Gründen das Zehlendorfer Heim verlassen haben, in dem er seit einiger Zeit lebte, und mit seinen Sachen auf der Straße gelebt haben. Bei dem Mann gibt es nach Informationen des Tagesspiegels keinen terroristischen Hintergrund. Ein Ermittler dementierte gestern den Bericht einer Boulevardzeitung, nachdem der Mann ausgesagt haben soll: „Ich tat es für Osama bin Laden.“ Ein Kriminalbeamter sagte: „Das ist alles Quatsch. Er hat wirre Reden geschwungen und uns beleidigt.“ Gäbe es nur einen leisen Verdacht auf einen terroristischen Hintergrund, hätte längst der Staatsschutz des Bundeskriminalamtes die Ermittlungen übernommen, sagte ein Ermittler.

Was der Arbeitslose allerdings in Marzahn wollte, ist unklar – zum Motiv hat er bislang auch keine Angaben gemacht. „Er ist ziellos mit der S-Bahn durch Berlin gefahren und war irgendwann in Marzahn.“ Wie berichtet, hatte er am dortigen S-Bahnhof mit Steinen wahllos die Scheiben mehrerer Autos eingeworfen und dabei eine junge Frau leicht verletzt. Dies sah eine Gruppe von Zeugen, der 20-Jährige Thomas P. rannte zu dem Randalierer und wurde sofort niedergestochen. Auch als der junge Marzahner schon am Boden lag, stach der Tunesier noch mehrfach in den Oberkörper des Sterbenden. Dann rannte er davon. Auf seiner Flucht stach er noch einem 32-Jährigen in den Bauch, der den Täter aufhalten wollte. Dirk M. schwebte auch gestern noch in Lebensgefahr, allerdings soll sich sein Zustand inzwischen etwas stabilisiert haben.

Offiziell machte die Justiz am Montag nur diese Aussage zu dem spektakulären Fall: „Er wurde vernommen, und er hat sich geäußert. Zum Inhalt sagen wir nichts“ – so Justizsprecher Grunwald. Er begründete dies mit „Ermittlungstaktik“, dies sei mit der Polizei abgesprochen. Bei der Mordkommission wurde dies kritisiert, „wir könnten sehr wohl was sagen“, hieß es dort, schon um die ins Kraut schießenden Spekulationen in der Boulevardpresse zu stoppen. Neben Terrorverdacht war dort von Drogenhandel und Waffenlager die Rede, „alles Quatsch“, hieß es bei der Polizei. Als Obdachloser habe er mehrere Taschen und Tüten dabei gehabt, darunter auch einige Messer. Die Kripo vermutet, dass der Mann entweder psychisch krank ist oder betrunken war. Das Ergebnis eines Blutalkoholtest lag gestern noch nicht vor. Der Mann soll einen wirren Eindruck gemacht haben, allerdings nicht so wirr, dass er sofort in die Psychiatrie eingewiesen werden musste. Wie berichtet, wurde gegen den Mann Haftbefehl erlassen, er sitzt jetzt im Gefängnis Moabit. Einem Arzt wurde er noch nicht vorgestellt.

Die Polizei hat den Tunesier bislang nur als Kleinkriminellen kennen gelernt. Er sei wegen Sachbeschädigung und Ladendiebstahl auffällig geworden, „nichts Spektakuläres“, hieß es. Im Gefängnis saß der 24-Jährige noch nicht. Derzeit werden die Fingerabdrücke und eine DNA-Speichelprobe bundesweit überprüft, um zu ermitteln, ob er möglicherweise nicht aufgeklärte Straftaten verübt hat.

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