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Berlin: Islamgegner ziehen vors Kreuzberger Rathaus

Polizei rechnet mit zahlreichen Gegendemonstranten Erneut gab es mehrere nächtliche Angriffe auf linke Einrichtungen

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Die rechte Szene der Hauptstadt legt offenbar nach. Mit Farbbeuteln und Eiern ist am frühen Mittwochmorgen ein Parteibüro der Linken in Neukölln mutmaßlich von Neonazis angegriffen worden. Die Täter beschmierten das Gebäude am Richardplatz, Anwohner riefen die Polizei. Außerdem sollen Farbbeutel auf einen von Linken genutzten Kulturtreff und ein Büro der Grünen im selben Kiez geworfen worden sein.

In den vergangenen Tagen hatte es nach Angriffen auf NPD-Funktionäre in Neukölln und Kreuzberg mehrere Racheaktionen militanter Neonazis gegeben – an von Linken genutzten Häusern wurde Feuer gelegt. Die SPD-nahen Falken bitten nach einem Brandanschlag auf ihren Jugendtreff in Neukölln inzwischen um Spenden. Schon in den vergangenen Monaten gab es in Berlin und Brandenburg Anschläge auf Einrichtungen der Linkspartei. Im Mai wurden die Fenster des Wahlkreisbüros der Bundes-Vizechefin der Linken, Halina Wawzyniak, in Kreuzberg zerschlagen. „Die Linke wird sich von dem neuerlichen Anschlag auf eine ihre Einrichtungen nicht in ihrem Engagement gegen Rassismus und rechte Hetze beirren lassen“, sagte Pascal Meiser von der Linkspartei in Kreuzberg. Dies gelte auch für „die geistigen Brandstifter“ von „Pro Deutschland“.

Die ultrarechten Islamgegner wollen diesen Donnerstag ab 19 Uhr im Saal der Bezirksverordnetenversammlung in der Kreuzberger Yorckstraße tagen. Sie hatten das Treffen gerichtlich durchgesetzt. Antifaschistische Initiativen haben Gegenaktionen angekündigt, es wird mit mehreren hundert Demonstranten gerechnet. Auch Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne) wird da sein. Zuletzt hatten sich Anhänger von „Pro Deutschland“ am Jahrestag des Arbeiteraufstandes vom 17. Juni 1953 in der DDR in Friedrichshain getroffen. Dort wurden sie von Gegendemonstranten attackiert. Die Polizei bereitet sich für Donnerstag auf einen Großeinsatz vor.

Unterdessen wachsen in Sicherheitskreisen die Zweifel, dass die Ehefrau eines Rechtsextremen aus Rudow tatsächlich einer Messerattacke von Linken ausgesetzt war. Altgediente Experten sagten, sie könnten sich an keinen Fall erinnern, bei dem Linksextreme auch Stichwaffen eingesetzt hätten. Die 22-Jährige hatte am Montag der Polizei berichtet, sie sei in Rudow mit ihren Kindern unterwegs gewesen und von drei Männern überfallen worden. Die Beamten stellten „oberflächliche Verletzungen“ fest, die nicht behandelt werden mussten. Merkwürdig sei, dass die Frau erst von zu Hause die Polizei gerufen habe – und dass die rechte Szene im Internet nur zurückhaltend auf die Geschichte eingehe. Außerdem gebe es keine Augenzeugen.

Für die Behörden ist der Fall von besonderem Interesse, da ein Messerangriff von Linken eine neue Qualität im Konflikt mit Neonazis bedeuten würde. So habe bisher die Lust an der direkten Zerstörung des Kontrahenten mehr im Mittelpunkt rechtsextremer Gruppen gestanden, sagte Uwe Backes vom Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung an der Technischen Universität Dresden. Bei militanten Linksextremen sei eher der Steinwurf charakteristisch. „Jedoch setzen seit einiger Zeit auch gewaltbereite Linksextreme auf die direkte Konfrontation, was die steigende Zahl der Körperverletzung in den letzten Jahren zeigt.“ Beide Flügel definierten sich dabei über die negative Abgrenzung zum Feind, etwa indem sie sie als Nazischweine oder Zecke bezeichneten. „Beides tierische Begriffe“, sagte Backes. Üblich sei auch, dass der gewalttätigen Aktion einer Seite Gegenaktion der anderen folgten. Diese würden wellenartig auftreten.

Gründe für die Mobilisierung der Linken seien beispielsweise Aufmärsche oder Wahlkampfaktionen rechtsextremer Parteien. „Hinzu kommt, dass in Berlin eine starke militante, rechtsextreme Szene gibt, aufgrund deren Präsenz die Mobilisierungseffekte der linken Gegenseite stärker sind als in anderen Orten“, sagte Backes. In Bezug auf ihre Ziele, habe Gewalt bei Linksextremen schon immer mehr als Mittel zum Zweck gegolten und sei oft weniger Ausdruck eines Hasses als bei Rechtsextremen.

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