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Berlin: Jäger des absurden Alltags

Lange vor Kurt Krömer erhob Fil den Proll-Humor zur Kunst. Nun gibt es eine Werkschau und neue Shows

Das Squaw-Kostüm hat er diesmal zu Hause gelassen. Aber ein paar alte Großstadtindianer-Weisheiten hat Fil immer dabei. „Raub’ mir nicht meine Seele, weißer Mann“, ermahnt er mitten im Lied den Fotografen und baut spontan ein paar ironisch-überhebliche Attacken gegen die Medien in den Song ein („Die Journalisten hassen mich, weil sie nicht Ich sind“). Unversehens ist der Beobachter zum Teil der Show geworden, die der unberechenbare Alleinunterhalter am Freitagabend zur Eröffnung seiner Werkschau in der Friedrichshainer „Cartoonfabrik“ aus dem T-Shirt-Ärmel schüttelte.

Fil ist ein Jäger und Sammler absurder Alltagsbeobachtungen, nichts ist vor dem begnadeten Improvisateur sicher. Seit bald 20 Jahren verarbeitet er seine Impressionen in Comics, Liedern und Dialogen mit seinem Plüsch-Hai Sharkey. Dafür und für die Zitty-Comicserie „Didi & Stulle“ verehren ihn seine Fans wie einen Underground-Popstar. Regelmäßig erscheinen die Abenteuer der beiden Galgenvögel in Buchform, zuletzt „Der Plan des Gott“. In Fils Comics wie bei seinen Shows sind die Grenzen zwischen Witz und Affront, zwischen professionell und dilettantisch fließend. „Wolfgang Gruner auf Ecstasy“ hat ihn das Satiremagazin Titanic mal genannt.

Manches Werk des schlaksigen Glatzkopfs, auch das zeigt die Eröffnung der aktuellen Schau, ist große Kunst, anderes ist so flach, dass es fast schon wieder tiefgründig wirkt. Der kalkulierte Tabubruch ist bei ihm Prinzip. „Stört euch nicht am Ambiente, ist halt der Osten“, kommentiert er die frisch renovierte Galerie. Dann zieht er über einen unfruchtbaren Freund her und verstreut breit berlinernd Häme über schwäbelnde Neuberliner, Webdesigner, Prenzlauer-Berg- Zwillingsmütter oder türkische Händler mit ihrem Hang zu dünnen Plastiktüten.

Wie nur wenige, hat Fil – vor 40 Jahren als Philip Tägert geboren – das Urberliner-Sein zur zeitgemäßen Kunstform erhoben, lange vor der aktuellen Proll-Comedy-Welle. „Alle reden von Kurt Krömer. Aber Fil ist besser, und er ist ein richtiger Poet“, findet sein Galerist Wolfgang Kleinert. Immer wieder streift Fil dabei existenzielle Fragen. Eine Zeichnung in der Ausstellung zeigt einen Mann, der sich in einem Badezimmer zusammenrollt, darüber die Worte: „Wenn man sich in Hotelzimmern auf den Boden legt, wird man dann auch ausgetauscht?“ Dazu gibt es krude Gangstergeschichten aus dem Frühwerk – Fil zeichnet für Zitty, seit er 14 ist –, viel „Didi & Stulle“ und manch absurde Pointe, wie das Geständnis des Serienmörders, der vom Serienmord nicht leben kann und nebenbei als Fahrradkurier arbeiten muss. Am Schluss des bunten Abends entlässt Fil sein johlendes Publikum mit einem Appell: „Klatscht nicht mehr, seid eure eigenen Characters.“ Meint er das aufmunternd? Bösartig? Wohl beides zugleich.

Fil-Schau bis 4.2. in der Cartoonfabrik, Krossener Str. 23, Mi-So 14-19 Uhr. Bücher bei Reprodukt. Fil & Sharkey–Show 17. bis 22. Dezember im Mehringhof-Theater (20 Uhr, Gneisenaustr. 2a, Kreuzberg)

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