zum Hauptinhalt

Berlin: Jäger des verlorenen Trends

Von Harald Olkus Auch die Weiterbildung hat ihren „Schweinezyklus“. Herrscht in einer Branche Fachkräftemangel, und ist es dazu noch eine so genannte Zukunftsbranche, wird verständlicherweise laut nach Abhilfe gerufen.

Von Harald Olkus

Auch die Weiterbildung hat ihren „Schweinezyklus“. Herrscht in einer Branche Fachkräftemangel, und ist es dazu noch eine so genannte Zukunftsbranche, wird verständlicherweise laut nach Abhilfe gerufen. Die Sofortmaßnahmen heißen dann „mehr Ausbildungsplätze schaffen“ oder „eine Greencard einführen“. Gleichzeitig schießen die Weiterbildungs- und Umschulungskurse für diese Jobs wild ins Kraut. Im großen Stil werden Arbeitslose umgeschult. Doch dann kommt oft die böse Überraschung: Nach einem Jahr stehen viele wieder auf der Straße, weil der Bedarf an Arbeitskräften längst nicht mehr in dem Maße vorhanden ist wie zuvor. Und weiter gehts: Weniger Menschen machen diese Ausbildungen und Umschulungen und – wenn die Konjunktur wieder anzieht – fehlen wieder Fachkräfte.

Welche Jobs in naher Zukunft Chancen bieten, wird ein großes Thema der 30. Berliner Bildungsmesse sein, die am Freitag im Haus am Köllnischen Park stattfindet (siehe Kasten). Arbeitsmarkt-Experten halten sich dennoch bedeckt, wenn sie Prognosen über Zunkunftschancen abgeben sollen. Beim Ifo Institut für Wirtschaftsforschung in München zum Beispiel will man lieber gar keine Aussagen machen. Und auch das Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit (IZA) in Bonn bleibt eher allgemein. Die Lage sei „momentan unkalkulierbar", meint ihr Pressesprecher. Generell seien Einstellungen wohl am ehesten im Dienstleistungssektor zu erwarten, im produzierenden Bereich dagegen eher Kündigungen. Ob ein Konjunkturaufschwung aber überhaupt Arbeitsplätze nach sich ziehe, sei fraglich. Dazu müsse sich die Konjunktur erst verfestigen. Und keiner weiß, ob sie nicht gleich wieder einen Dämpfer bekommt.

Dennoch gibt es auch Trend-Prognosen. Als Branchen mit Zukunft gelten der Maschinenbau, die Gen- und Medizintechnik, die Biotechnologie, aber auch Sprachen, da interkulturelle Kompetenz zunehmend wichtiger werde. Hoffnungen werden – trotz Pleitewelle – nach wie vor auf die IT-Branche gesetzt. Knut Diekmann zum Beispiel, Weiterbildungsexperte beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHT) erwartet für Weiterbildungen im IT-Bereich sogar einen regelrechten Boom.

Eine geregelte Aus- und Weiterbildung soll nun auch im bisher weitgehend ungeregelten IT-Sektor für Niveau sorgen. Für die vier IT-Berufe, Systemelektroniker, Systemkaufmann, Fachinformatiker und Informatikkaufmann, insgesamt 29 Spezialisten-Profile sowie zwei übergreifende operative und strategische Führungspositionen werden derzeit die Lehrpläne erarbeitet. Die Ausbildung soll mit einer Zertifizierung abgeschlossen werden. Die Erwartungen daran sind groß: Wenn sich das Vorhaben bewährt, könnte es zum Modell in der gesamten EU werden. Nach Ansicht von Diekmann wird sich die Entwicklung der New Economy wieder umkehren und zu einem stetigen Wachstum übergehen, Arbeitskräfte in diesem Sektor würden also gebraucht. Bis zu 10 000 Teilnehmer von IT-Aus- und Weiterbildungen erwartet er für das Jahr 2003. Die Pleiten in der Branche führt er unter anderem auf die fehlende kaufmännische Ausbildung der IT-Spezialisten zurück - darauf soll mit den neuen Ausbildungsgängen reagiert werden.

Eine Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften im IT-Bereich bestätigt auch Edda Bindewald, Regionalleiterin Berufliche Bildung der WBS Training AG. Einen Boom sieht sie allerdings nicht. „Aber wenn die Konjunktur wieder anspringt, werden IT-Fachleute gebraucht." Schon jetzt seien gut ausgebildete SAP-Berater Mangelware. „Chancen gibt es auch in der Kommunikationsbranche, vor allem bei PR-Referenten, da nun auch kleinere und mittlere Unternehmen die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit entdecken“ meint sie. „Dies ist ein Bereich, in dem auch Quereinsteiger gefragt sind.“

Problematisch findet Bindewald jedoch, dass das Arbeitsamt die Förderungsdauer für Weiterbildungskurse verkürzen will. Gerade bei Quereinsteigern sei eine umfangreiche Grundausbildung wichtig, zu der auch Praktika gehören. Nur so könnte der notwendige Kontakt zu den Unternehmen gewährleistet werden. Der Bedarf an Weiterbildungen werde eher noch zunehmen, meint auch der Pressesprecher des IZA. Da die Unternehmen sich den ständig verändernden Entwicklungen ihrer Märkte anpassen müssten, seien feste Stellen mehr und mehr dem Wandel unterworfen. „Ständige Job begleitende Weiterqualifizierung ist deshalb nötig.“

Daraus folgt auch, dass die Zukunft auf dem Arbeitsmarkt eher den Generalisten als den Spezialisten gehört. Denn die Unternehmen sind an flexiblen Arbeitnehmern interessiert, die sich für neue Anforderungen fit machen. Sie seien auch zunehmend bereit, die Qualifizierungen zu finanzieren, meint man beim IZA – so lange der Arbeitnehmer der Firma treu bleibt.

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false