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Jahrestag der deutschen Teilung: Mauerkunde bei Merkel

"Vertretungslehrerin" Angela Merkel meldet sich mit einer Unterrichtsstunde zum Mauerbau an einer Berliner Schule aus dem Urlaub zurück und im Wahlkampf an. Mit den Schülern sprach sie über ihre persönlichen Erinnerungen an die DDR. Unter Ausschluss der Öffentlichkeit - fast.

Applaus. Auftritt Angela Merkel. Sie steigt aus ihrem schwarzen Audi vor dem Heinrich-Schliemann-Gymnasium in Prenzlauer Berg. Die Schüler stehen Spalier, der Zugang ist seitlich mit einer weißen Kordel abgesperrt. Merkel winkt. Merkel schüttelt Hände, die Kameras Dutzender Fotografen klicken. Das ist alles, was die Öffentlichkeit zu sehen bekommt. Dabei soll die Bundeskanzlerin hier eine Geschichtsstunde zum Mauerbau halten. Vor Zwölftklässlern aus ihren Erfahrungen in der DDR berichten.

Was genau sie den Schülern berichtet hat, bleibt vorerst eigentlich Verschlusssache. Die Schulleiterin hat Journalisten zuvor verboten, mit den betreffenden Schülern zu reden. In den folgenden Tagen soll ein Artikel über die Stunde auf dem Onlineportal von „Spiesser“ veröffentlicht werden. Steffen Seibert, Chef des Bundespresseamts und Regierungssprecher, saß auch mit in der Stunde. Er will Merkels Zitate vorher noch absegnen.

Die einzige zugelassene Journalistin war die 23-jährige Studentin Milena Zwerenz. Sie sitzt nach der Unterrichtsstunde im Cafe Beaker’s gleich neben der Schule. Sehr fachlich habe Merkel anfangs doziert, sagt Zwerenz. „Wie eine klassische Geschichtslehrerin.“ Die jungen Erwachsenen, die meisten um die 18 Jahre alt, habe sie schnell für sich gewonnen. „Sie dürfen Frau Merkel zu mir sagen“, habe Frau Merkel gesagt und ihren Namen an die Tafel geschrieben. Es wurden Berlin-Karten ausgeteilt, auf denen die Schüler den Mauerverlauf einzeichnen sollten. Die richtige Lösung hatte Merkel natürlich auch parat. Sie habe sich für die Stunde „geschichtlich sattelfest“ gemacht, hatte sie vorher noch verraten.

Merkel selbst war beim Mauerbau 1961 gerade sieben Jahre alt und lebte mit ihrer Familie im brandenburgischen Templin. Konkrete Erinnerungen habe sie nicht, sagt sie später den wartenden Journalisten. Nur, dass ihre Eltern sehr traurig gewesen seien, wisse sie noch. Die Schüler habe sie gefragt, woran sie heute noch die Unterschiede in Ost und West erkennen würden. Die Ampelschaltung im Osten sei schlechter, bekam sie zur Antwort. „Die gute Nachricht ist, dass in Deutschland aus Sicht der jungen Leute die Herkunft aus Ost oder West eine untergeordnete Rolle spielt“, sagt Merkel.

Im „Unterricht“ sei Merkel dann doch noch etwas persönlicher geworden, meint Zwerenz. Über das Gefühl, von der Stasi überwacht zu werden habe sie gesprochen. Und wie es gewesen sei zu verreisen, einen Rucksack zu packen und doch nicht überall hin zu können. Über den Gemüseladen, der unterhalb ihrer Wohnung in Berlin gelegen habe und in den jetzt ein Dönerladen eingezogen sei.

Eine wenig politische Geschichtsstunde also, für eine Kanzlerin, die sich gerade von ihrem SPD-Herausforderer Peer Steinbrück hatte anhören müssen, als Ostdeutsche gehe ihr das Gespür für Europapolitik ab. Und einer CDU-Vorsitzenden, die zu dem Vorwurf, sie sei an der Akademie der Wissenschaften einst FDJ-Sekretärin für Agitation und Propaganda gewesen, nicht mehr zu sagen hat, als dass sie sich eben nicht daran erinnern könne.

Die Schüler, so berichtet es Zwerenz, hätten dazu keine Fragen gestellt. Überhaupt habe es wenig Fragen gegeben. Die Schüler hätten alle „großen Respekt“ vor der Kanzlerin gehabt.

Alle Berichte zum Bundestagswahlkampf finden Sie auch auf unserem Wahlblog.

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