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Blauer Himmel über dem im letzten Jahr sanierten Charité Bettenhaus.

© Paul Zinken/dpa

"Jahrzehnt der Investitionen": Senat investiert 1,1 Milliarden für Charité in Berlin

Die Universitätsklinik soll mit viel Geld an allen Standorten ausgebaut werden. Senatschef Michael Müller kündigt einen "gehörigen Kraftakt" an.

Also doch, so sehen es derzeit Ärzte, Pflegekräfte und Techniker gleichermaßen: Der Senat erkennt den Wert der Charité. Und deshalb sprach sich zügig herum, was Karl Max Einhäupl, langjähriger Chef der Universitätsklinik, am Donnerstag auf dem Steglitzer Campus zu tun beabsichtigte: unerwartet hohe Investition anzukündigen. Dafür bot Einhäupl dem Regierenden Bürgermeister ebenfalls gleich das Podium an. Der Charité-Chef, obwohl selbst gut in Wissenschaft, Politik Wirtschaft vernetzt, ist von dem Senatschef abhängig. Und so sagte Müller etwas spröde, aber klinikintern freudig gehört, der Charité stehe ein „Jahrzehnt der Investitionen“ bevor.

Müller ist Vorsitzender des Aufsichtsrats der landeseigenen Klinik und entscheidet als für Wissenschaft zuständiger Senatschef über die Landesmittel für Hochschulmedizin. Insgesamt liegt der Investitionsbedarf bei 1,4 Milliarden Euro, um Standards zu halten und Forschungsfortschritte umzusetzen – der Senat zahlt 1,1 Milliarden Euro. Dazu kommen mittelbar noch Bundesmittel, insgesamt eine Rekordsumme: So viel war die Charité bislang keinem Senat wert.

Am meisten Geld wird im Virchow-Klinikum verbaut

In den kommenden fünf Jahren sollen eine halbe Milliarde Euro verbaut werden, um in einem – Müller-O-Ton – „gehörigen Kraftakt“ weiter bestmögliche Medizin zu bieten. In der SPD haben sich offenbar jene durchgesetzt, die mehr Geld für die Infrastruktur ausgeben wollen. Deutlich sind die Folgen der wachsenden Stadt in Notaufnahmen und Kreißsälen zu spüren. Inwiefern nicht nur Europas größte Universitätsklinik, sondern auch anderen Krankenhäuser dafür noch Extrageld erhalten, ist unklar.

Im Einzelnen wird das Geld für Bauten, Labore und Technik wie folgt auf die Standorte verteilt: Der Campus in Mitte, wo der bekannte Bettenturm steht, erhält 270 Millionen, das Virchow-Klinikum in Wedding 770 Millionen, das Benjamin- Franklin-Krankenhaus in Steglitz 219 Millionen und die Forschungshäuser in Buch 36 Millionen Euro. Dass das meiste Geld in Wedding ausgegeben wird, liegt daran, dass dort ein Neubau für das Universitäre Herzzentrum Berlin geplant ist. In dem sollen das bekannte Deutsche Herzzentrum und die entsprechenen Charité-Experten zusammen einziehen.

Noch unter der SPD-CDU-Koalition hatte die Charité zunächst 330 Millionen Euro, dann insgesamt weitere 47,5 Millionen Euro für die Modernisierungen erhalten. Von dem Geld wurde unter anderem der Bettenturm umgebaut – und trotz kleinerer Pannen, von denen zumindest Beschäftigte berichten, klappte dies bei laufendem Betrieb planmäßig. Mit Blick auf den BER, marode Brücken, alte Schulen endlich ein, nun ja, im Wortsinn: Vorzeigeprojekt.

Wie berichtet, wurde der Vertrag von Charité-Chef Einhäupl um zwei Jahre verlängert. Der 70 Jahre alte Neurologe bleibt bis Mitte 2020 im Amt, was Senatschef Müller mit „Wertschätzung und Vertrauen“ begründete – was stimmen dürfte, aber eben auch damit zu tun hat, dass selbst für Spitzengehälter nur wenige bereit (und in der Lage) sind, diesen Job zu machen. Müller schob deshalb nach, die Verlängerung ermögliche es dem Senat „die Nachfolgesuche mit Sorgfalt“ zu gestalten. Intern ist bekannt: Man hat für 2018 niemanden gefunden, der als fähig erachtet wurde.

Charité-Chef Einhäupl ist allseits beliebt - na ja, fast

Bevor alle in einen Ja-zu-Einhäupl- Chor einstimmen, sei ungeachtet der Qualitäten des Wissenschaftlers erwähnt: Unter den insgesamt 17 000 Charité-Beschäftigten waren etliche schlecht auf den Chef zu sprechen. Heftig kämpften die Pflegekräfte um mehr Personal, schon um Dauerstress und folglich Behandlungsfehler zu vermeiden. Letztlich unter Einhäupls Führung blieb die Charité-Spitze hart, einigte sich erst nach Ausständen und Protesten auf mehr Fachkräfte für jede Station. Die Details dieses nun als gesundheitspolitisch einmalig gelobten Tarifvertrages handeln Arbeitnehmer und Charité-Spitze noch aus.

Dass das bislang so schwer fiel, liegt an den Bundesgesetzen. Für die laufenden Kosten ist formal nämlich das ureigene Klinikbudget gar nicht vorgesehen: Dem umstrittenen Fallpauschalensystem zufolge, einer 2003 eingeführte Finanzierungsregel, erhalten die Kliniken pro Patient und Diagnose eine fixe Summe von den Krankenkassen. Die Versicherungen bezahlen also nicht, was die Klinik tatsächlich verbrauchte, sondern das, was theoretisch an Personal und Medikamenten nötig war. Nur wenn die Behandlungskosten unter der Pauschale bleiben, zahlt das Krankenhaus nicht drauf. Wenn dann dazu, wie bislang auch an der Charité, die zuständigen Länder noch zu wenig Geld für Bauten und Technik ausgeben wollen, droht ein Dauernotstand.

Der neue Tarifvertrag kostet die Charité zwölf Millionen Euro mehr im Jahr. Zudem hatte Rot-Rot-Grün beschlossen, die Charité-Tochterfirma CFM zurückkaufen zu lassen. Dies dürfte sich als sozialpolitisch sinnvoll erweisen, bei Charité-Chef Einhäupl aber dazu führen, dass er auch künftig auf fast jeden Euro wird achten müssen.

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