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James-Bond-Bösewicht Michael Pink: Der Schurke aus Friedenau

Kämpfen, schießen, sterben: Das kann Michael Pink. Der Schauspieler aus Friedenau ist einer der Bösewichte im neuen James-Bond-Film. Doch hinter der harten Fassade des Darstellers steckt mehr, als man auf den ersten Blick vermutet.

Michael Pink hat den Wehrdienst verweigert. Aber seit ein paar Monaten kann er eine Maschinenpistole blitzschnell in Einzelteile zerlegen, zusammenbauen und durchladen. Er beherrscht tödliche Schläge und Tritte im Schlaf. Und er weiß, wie man nach einem Schuss in die Schulter oder ins Bein authentisch zu Boden stürzt. Er nennt das Sterbetechnik.

Michael Pink steht mit Zigarette im Mundwinkel neben einem Kinderfahrrad mit rosa Blümchen und rosa Zahlenschloss und prüft, ob es angeschlossen ist. Eben hat er seine Tochter in die Kita gebracht. Es ist ein Freitagmorgen in Friedenau. Er wirft die Zigarette weg und betritt das Café direkt neben der Kita, setzt sich an einen niedrigen hellblauen Tisch und bestellt Kaffee. In den Regalen stehen rote Tassen und Plüschtiere, im Hintergrund singt Norah Jones. Der drahtige Mann mit den tiefen Augenringen, dem schneidenden Blick und den hohlen Wangen wirkt wie ein Fremdkörper. Doch der Eindruck täuscht: Michael Pink kommt jeden Morgen hierher.

Gut möglich, dass sein Gesicht in den nächsten Wochen weltweit bekannt wird. Vielleicht werden ihn Menschen in der Berliner U-Bahn um Autogramme bitten. Möglich auch, dass er bald regelmäßig kämpfen, schießen und sterben muss. Wer weiß, vielleicht wird er einen ähnlichen Weg einschlagen wie die Schauspieler Götz Otto, Gottfried John oder Clemens Schick: von einer Rolle in einem James-Bond-Film zum deutschen Vorzeige-Bösewicht.

Pink zieht ein Smartphone aus der Tasche und scrollt sich durch ein Fotoalbum. Bei einem Bild bleibt er stehen. Es zeigt ihn selbst, glattrasiert und mit noch tieferen Augenringen als jetzt, in einem Wohnwagen.

Vor knapp einem Jahr stand dieser Wohnwagen mitten in London in einer abgesperrten Straße. Vor dem Wohnwagen drehte das Filmteam eine Szene mit Daniel Craig und Javier Bardem. Direkt danach sei er an der Reihe, hatte man Michael Pink gesagt. Sein erster Auftritt. Also wartete er, stundenlang. Es störte ihn nicht, immerhin war er am Set der ältesten und legendärsten Filmreihe der Welt. Regie führte Sam Mendes, der Regisseur von American Beauty. Oscarpreisträger, oberste Kino-Prominenz.

Als es endlich soweit war, an diesem 11. Dezember vor knapp einem Jahr, dämmerte schon der Morgen. Michael Pink hatte 15 Stunden lang gewartet. Die Maskenbildnerin muss ihn kaum noch schminken, das übermüdete Gesicht passt gut zu seiner Rolle.

Pink spielt den Helfer des Bösewichts Raoul Silva, verkörpert von Javier Bardem. Für die Rolle hat Pink wochenlang mit Stuntmännern Kampftechnik trainiert und gelernt, wie man Waffen bedient. Am Donnerstag kommt der Film in die deutschen Kinos, aber ein paar Wochen vorher kennt nicht mal Michael Pink die ganze Handlung. Man hat ihm nur die Szenen aus dem Drehbuch kopiert, in denen er mitspielt. Der Rest ist, passend zum Filmthema, streng geheim.

Vom Internet-Cop zum Bond-Bösewicht

Pink spielt, so viel darf man wissen, in ziemlich vielen Szenen mit. Anfangs hatte ihn Regisseur Mendes nur für eine Woche gebucht, für nicht mehr als eine Handvoll Einstellungen. Am Ende pendelte Pink vier Monate lang zwischen seiner Wohnung in Friedenau und den Pinewood Studios in London, in denen traditionell jeder 007 gedreht wird.

Wie oft er letztlich zu sehen ist, wird auch Pink erst bei der heutigen Premiere im Sony Center am Potsdamer Platz erfahren. Vor einigen Jahren hatte er schon einmal im ganz großen Kino eine Nebenrolle bekommen, in Aeon Flux mit Charlize Theron. Doch erst wurde das Drehbuch immer wieder umgeschrieben, seine Nebenrolle immer kleiner, dann die Szenen im Schnitt extrem verkürzt. „Heute musst du auf Pause drücken, um mich zu sehen“, sagt Pink und grinst.

Er sitzt inzwischen am Küchentisch seiner weitläufigen Altbauwohnung. Nach dem Schauspielstudium in Wien ist der gebürtige Kärntner vor neun Jahren nach Berlin gekommen. Er wohnte zunächst in Kreuzberg, kellnerte und spielte in Low-Budget-Filmen. Er klappt einen Laptop auf und klickt sich durchs Netz, findet schnell, was er gesucht hat. Pink lächelt. „Mein erster Schritt in die Bekanntheit.“

In einer Internet-Serie namens Moabit Vice hatte Pink damals eine Hauptrolle übernommen. Die dreiminütigen Videos parodieren „Miami Vice“, die legendäre Actionserie aus den Achtzigern, Tausende Berliner klickten sie an. Eines Tages meldete sich ein Musiker aus Tempelhof, sagte, er liebe Moabit Vice, und ob die beiden Schauspieler nicht Lust hätten, in seinem nächsten Videoclip mitzuspielen. Pink und sein Filmpartner mögen Independent-Projekte. Der Musiker, der sich „Frauenarzt“ nennt, landet mit dem Song „Das geht ab – wir feiern die ganze Nacht“ einen Überraschungshit. Er hält sich acht Wochen in den Top Ten. Selbst in der Kita seiner Tochter spricht man Michael Pink auf den Videoclip an – mit dem er keinen Cent verdient hat.

Es wirkt nicht so, als störe ihn das besonders. Der 35-Jährige ist jetzt oft im Fernsehen zu sehen: Soko Kitzbühel, Küstenwache, letztes Jahr eine Hauptrolle in einem Tatort, in der Serie „Die Deutschen“ spielte er Friedrich II. Drehfreie Tage verbringt er im Synchronstudio und leiht seine Stimme dem Schauspieler James Franco, spricht Dokumentationen und Trickfilme. Indie-Produktionen sind immer noch seine Leidenschaft, neulich saß er in der Jury eines Festivals für Trashfilme. Und dann ist da noch seine Band.

Am frühen Nachmittag betritt Pink eine Wohnung in Schöneberg. Ein großer Mann mit Anzugweste und Zottelbart empfängt ihn, eine Gitarre in der Hand. Es ist die letzte Probe, in ein paar Stunden spielen die beiden auf einer Benefiz- Veranstaltung, es geht um Krebsprävention bei Kindern. In der Wohnung duftet es nach sauberer Wäsche und frischem Kaffee. Kinderzeichnungen hängen an den Wänden. Buntstifte liegen herum. Und mittendrin steht Michael Pink, dieser drahtige Mann mit dem hageren Gesicht eines Schurken, wippt mit einem Fuß und fängt an zu singen. Einen verspielten, fröhlichen Song über Träume. Manchmal täuscht er wirklich, der äußere Eindruck.

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