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Berlin: Je später der Abend, desto höher die KostenLohnzuschläge und sinkende Einnahmen bremsen

das Interesse der Einzelhändler an langen Öffnungszeiten

Von Cay Dobberke

Spätverkaufsaktionen wie die „Lange Nacht des Shopping“ oder die „7 Shopping-Weekends“ gelten unter Berliner Händlern als gutes Mittel, um mehr Kunden anzulocken. Doch wenn es um die alltäglichen Verkaufszeiten geht, sind viele Geschäftsinhaber wegen hoher Lohnkosten und sinkender Umsätze zurückhaltender. Trotz der Ausweitung der zulässigen Zeiten vor sechs Jahren schließen kleinere Läden immer noch oft um 18.30 oder 19 Uhr statt erst um 20 Uhr – selbst in den großen Einkaufsstraßen. Dagegen nutzen Kaufhäuser und Einkaufszentren die Möglichkeiten aus. Ähnlich ist es sonnabends zwischen 14 und 16 Uhr.

„Es kommt auf die Gegend und die Branche an“, sagt Jan Holzweißig vom Einzelhandelsverband. Öffne in einer Straße nur die Hälfte der Läden bis abends, „traut der Kunde dem nicht“. Erst wenn in einem Einkaufsgebiet mehr als 90 Prozent der Händler an einem Strang zögen, würden sich die Verbraucher darauf einstellen. „Und das kann zwei, drei Jahre dauern.“

Eine Boulevardzeitung sah gerade Anzeichen dafür, dass viele Läden wegen der schwierigen Wirtschaftslage zu kürzeren Öffnungszeiten zurückkehrten. Holzweißig bestreitet dies jedoch: „Die Verkaufszeiten werden nicht zurückgefahren.“ Auch Uwe Täger vom Münchner Ifo-Institut widerspricht. Der Branchenforscher hatte 1999 ermittelt, dass rund ein Drittel aller Geschäfte in Deutschland über 18.30 Uhr hinaus verkaufen. „Die Zahl dürfte sich inzwischen erhöht haben“, sagte Täger auf Nachfrage. Denn zumindest in größeren Einkaufsgebieten hätten auch kleinere Unternehmen festgestellt, dass sie „mit ihrem Engagement mehr Konsumenten in ihren Laden hineinbekommen“. Besonders gut laufe abends das Geschäft mit jungen Leuten, die auf der Suche nach „Trendprodukten“ im Kleidungs- und Elektronikbereich seien.

Wie viele der rund 16 000 Berliner Geschäfte regelmäßig bis 20 Uhr und sonnabends bis 16 Uhr öffnen, ist umstritten. Nach Erkenntnissen der Gewerkschaft Verdi verkaufen nur 20 Prozent über 18.30 Uhr hinaus. Der Einzelhandelsverband hält diese Zahl für zu niedrig. Dort kennt man allerdings nur eine Statistik, die sich auf Verkaufsflächen bezieht. Demnach wird abends noch auf 65 Prozent der Gesamtfläche verkauft. Zu dieser Zahl tragen natürlich besonders die großen Geschäfte und Kaufhäuser bei. Auch von den Supermärkten habe „der allergrößte Teil bis 20 Uhr auf“, so der Verband. An Standorten mit wenig Umsatz schließen Lebensmittelmärkte aber früher.

Die Industrie- und Handelskammer (IHK) will bei einer Herbstumfrage im Einzelhandel klären, wie weit die gesetzlichen Möglichkeiten ausgeschöpft werden.

Der Pionier beim Spätverkauf bleibt das Kulturkaufhaus Dussmann an der Friedrichstraße, das als einziges deutsches Warenhaus erst um 22 Uhr schließt – eine Spezialerlaubnis und arbeitsrechtliche Besonderheiten machen es möglich. „Wir erzielen abends 20 bis 30 Prozent unseres Umsatzes“, sagt eine Sprecherin.

Der Einzelhandelsverband fordert die völlige Freigabe der Verkaufszeiten. Gleichwohl möchte außer Dussmann fast kein Geschäft ständig über 20 Uhr hinaus öffnen. Dabei spielen die Lohnzuschläge eine große Rolle. Die Tarifverträge sehen schon nach 18.30 Uhr eine 20-prozentige „Zeitgutschrift“ vor, was im Regelfall mehr Freizeit für die Angestellten bedeutet. Nach 20 Uhr verdoppelt sich der Stundenlohn oder erhöht sich – bei Schichtarbeit – um 20 Prozent. Ladeninhaber ohne Angestellte haben diese Probleme zwar nicht, sie müssten aber noch länger an der Kasse stehen.

Ebenfalls nur vereinzelt verlangen Händler regelmäßige Sonntagsöffnungen. „Der Einkauf am Sonntag ist interessant, wenn er nur wenige Male möglich ist und lediglich ein paar Läden öffnen“, stellte die Deutsche Gesellschaft für Freizeit fest. Außerdem beträgt der Lohnzuschlag sonntags 120 Prozent und an Feiertagen 150 Prozent. Damit die Mitarbeiter zustimmen, gebe es sogar „meistens noch etwas drauf“, heißt es aus Arbeitgeberkreisen. Häufig gewünscht wird nur, dass der Senat und die Bezirke etwas mehr Ausnahmegenehmigungen erteilen. Derzeit gibt es stadtweit vier verkaufsoffene Sonntage pro Jahr. Dazu kommen örtlich begrenzte Erlaubnisse zu Straßenfesten.

Der Hauptwunsch des Einzelhandels lautet, sonnabends immer bis 18 oder 20 Uhr verkaufen zu dürfen. Derzeit müsse man die Kunden um 16 Uhr „nachdrücklich herausbitten“, beklagt nicht nur das KaDeWe.

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