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Berlin: Jenseits von Hollywood

Als Süßwarenverkäufer im Kino hat Arne Höhne angefangen, jetzt ist er Miteigentümer des erfolgreichen Filmverleihs Piffl Medien

„Der Kapitalismus ist wie ein toter Hering im Mondenschein: Er glänzt, aber er stinkt.“ Nun, wer hat das gesagt? Arne Höhne lacht. „Das ist einfach.“ Damit kann man ihn, Mitbegründer und -eigentümer der Piffl Medien GmbH, nicht reinlegen. Nicht mit einem Zitat des Mannes, der dem in Friedrichshain ansässigen Filmverleih den Namen lieh: Otto Ludwig Piffl, von Horst Buchholz gespielter Jungkommunist in Billy Wilders Berlin-Komödie „Eins, zwei, drei“. Ein ungewöhnlicher Firmenname, dem es an Ernsthaftigkeit zu mangeln scheint und der daher in der Gründerphase des seit acht Jahren bestehenden Unternehmens auch Widerspruch fand, wie Höhne sich erinnert. Aber das sei vorbei, der Name in der Branche vertraut – Konsolidierung auch hier.

Dennoch, in „Piffl“ schwingt der Gestus des Andersseins mit, der Wille, zwar auf dem Feld der von Hollywood gesteuerten Verleihriesen zu agieren, sich zugleich aber von deren Blockbuster-Strategie abzugrenzen. Also als unabhängiger Verleih auf Filme jenseits des Megastar-Rummels zu setzen, die von den großen Verleihern vernachlässigt werden, bei richtiger Betreuung aber gleichfalls Publikum finden. In einer Dimension, dass von Nischenexistenz nicht zu reden ist, selbst wenn Erfolge wie der Dokumentarfilm „Rhythm Is It!“ über die Jugendarbeit der Berliner Philharmoniker mit 650 000 Zuschauern Spitze im Piffl-Sortiment Ausnahme bleiben. Aber auch „Vier Minuten“, mit acht Nominierungen neben „Das Parfum“ Favorit bei der Gala des Deutschen Filmpreises an diesem Freitag, hat schon rund 280 000 Schaulustige angelockt. Und der Silberne Bär, den Nina Hoss für „Yella“ errang, schadet sicher auch nicht, wenn der Film im Herbst in die Kinos kommt.

Verständlich, dass deren Plakate gleich mehrfach in den Firmenräumen in der Boxhagener Straße hängen. Das sind 180 Quadratmeter eines Bürobaus im zweiten Hinterhof, sehr vorzeigbar, wenngleich eher spartanisch eingerichtet, das Mobiliar in nüchternem Schraubdesign. Raum für derzeit neun Arbeitsplätze: fünf Angestellte, dazu die Inhaber Louis Schneider, Hans-Christian Boese, Reinhard Matthäus und eben Arne Höhne, der in Personalunion eine Firma für Öffentlichkeitsarbeit führt und praktischerweise die Piffl-PR gleich mit erledigt. Alle vier hatten schon Erfahrungen im Berliner Filmwesen gesammelt, sei es beim OpenAir-Kino oder einem unabhängigen Verleih. Höhne etwa, als Sechsjähriger mit der Mutter aus Niedersachsen nach West-Berlin gekommen, war nach abgebrochenem Sinologiestudium ganz unten eingestiegen, als Süßigkeitenverkäufer im Freiluftkino Hasenheide, profitierte aber bald von der branchentypischen Durchlässigkeit der Ebenen.

Auch Piffl Medien hatte seine Kunden zunächst unter freiem Himmel gesucht, als Betreiber des Freiluftkinos Friedrichshain, laut Höhne mittlerweile das erfolgreichste in Berlin. Später kam das Freiluftkino Kreuzberg am Bethanien dazu. Ihren Debütfilm brachte die junge Firma schon im zweiten Jahr heraus, mit dem vieldeutigen Titel „Plus Minus Null“, mittlerweile sind es vier bis sechs Filme pro Jahr, deutsche wie ausländische, dazu als „Luxussegment“ zwei Chaplin-Klassiker: „Moderne Zeiten“ und „Der große Diktator“. Doch auch wenn das Geschäft offenbar läuft – es bleibt in erheblichem Maße unkalkulierbar, mit „unheimlichen Schwankungen“, wie Höhne sich bewusst ist. Und vor Fehlgriffen sind Firmen wie der Piffl-Verleih so wenig gefeit wie die Hollywoodkonkurrenz. Nur, dass es hier viel schneller an die Substanz geht. „Ein Jahr lang nur Flops und dann noch schlechtes Wetter – das könnte uns in Bedrängnis bringen“, sagt Höhne, für den daher bei allem Filmenthusiasmus nur die GmbH als Firmenform infrage kam. Immerhin, die Stabilisierung sei schon daran erkennbar, dass sie langfristiger planen könnten.

Ein Erfolg, der nicht zuletzt Berlin und seiner Infrastruktur zu verdanken ist. Eine Büroflucht vergleichbarer Größe in München? Unbezahlbar. Daher kann Höhne nicht verstehen, wenn über die freien Büroflächen in Berlin geklagt wird. Das sei doch gerade ein Vorteil, den die Stadt biete, ein „gutes Zeichen“ für die Ansiedlung von Firmen, die woanders chancenlos wären. Vor allem aber sei Berlin „die Stadt, in der die Produktionsfirmen sitzen, die das produzieren, was für uns interessant ist, deren Arbeitsweise unserer entspricht“. Zudem sei die Kinostruktur „großartig“, in der ganzen Republik werde man darum beneidet, was hier alles zu sehen sei und wie lange.

Auch über die öffentliche Förderung kann Höhne nicht klagen, im Gegenteil. „Große Zufriedenheit“, so fasst er die Erfahrungen mit dem Medienboard Berlin-Brandenburg zusammen, über den auch der Verleih gefördert werde, mittels Darlehen, rückzahlbar bei Erfolg. Aber es bleibt eben doch bei allem Optimismus und acht Filmpreisnominierungen ein schwer kalkulierbares Geschäft. Schon deswegen ist nicht damit zu rechnen, dass sich die Firma irgendwann umtauft und Piffl durch seinen kapitalistischen, von James Cagney gespielten Gegenspieler ersetzt. Obwohl: MacNamara Medien – klingt nicht schlecht.

Die Serie finden Sie auch im Internet: www.tagesspiegel.de/chancen

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