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In Arbeit. Kfz-Meister Gerhard Strempel muss demnächst wegziehen.

© Thilo Rückeis

Tempelhofer Feld: Jetzt wird es schicker am Rande des Flughafens

Hinter der Columbiahalle am Rand des Tempelhofer Feldes entsteht ein neues Wohnquartier. Dafür müssen Firmen wegziehen – und eine Schallschutzwand gebaut werden.

Die Kleingärtner am Columbiadamm haben Protestplakate gehisst: „Senat will Beton statt Gärten – wir lassen uns nicht vertreiben.“ Drinnen bittet der Vorstand per Aushang, Grünschnitt nicht unzerkleinert draußen abzulegen, denn gerade jetzt müsse die Anlage ansehnlich wirken. Und zwei Querstraßen weiter, auf der Rückseite der Columbiahalle, verabschieden sich die ersten Handwerksbetriebe von ihren Kunden, weil das Gelände bebaut werden soll. Je nach Perspektive liegt eine vage Auf- oder auch Abbruchstimmung über dem Kiez, der nur fünf Gehminuten südlich der brummenden Bergmannstraße noch immer in einer Art Dornröschenschlaf verharrt.

Die Stilllegung und Parkwerdung des Flughafens Tempelhof strahlt auf den Nachbarkiez ab. Laut dem Masterplan des Senats soll gleich um die Ecke das neue Columbiaquartier entstehen. Aber „wenn überhaupt, dann mittelfristig“, heißt es in der Stadtentwicklungsverwaltung. „Im Moment gibt es keine konkreten Baupläne.“ Ein Kleingärtner, der gerade aus der plakatbehängten „Kolonie am Flughafen“ kommt, bestätigt, dass hier eher vorsorglich protestiert werde.

Dem Kfz-Meister Gerhard Strempel dagegen läuft die Zeit davon: Anfang Juli habe er die Kündigung zum 31. Oktober bekommen. Nach mehreren gescheiterten Versuchen in der Innenstadt hat er nun ein Ausweichquartier in Mariendorf in Aussicht – und hofft, möglichst viele Kunden mitnehmen zu können. Die Laufkundschaft, die vor allem aus der Nähe zur Kfz-Zulassungsstelle in der Jüterboger Straße resultiere, werde er wohl verlieren, und die auf mindestens 20 000 Euro geschätzten Umzugskosten seien hart an der Schmerzgrenze. Aber mit seinen 59 Jahren habe er nur „die Wahl zwischen Selbstständigkeit und Hartz IV“.

Einige der auf dem Areal zwischen Hauptzollamt und Schwiebusser Straße ansässigen Handwerksbetriebe sind schon weggezogen. Ab Ende 2010 sollen sukzessive 220 Wohnungen auf der Fläche gebaut werden, sagt Barbara Rolfes-Poneß, Gesellschafterin des Projektentwicklers SQF Plan Berlin. Die Gesellschaft hat 18 000 Quadratmeter von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) gekauft, um mit zwölf Baugemeinschaften, einer Wohnungsbaugenossenschaft und zwei Bauträgerprojekten familienfreundlichen Wohnraum zu schaffen. Der Großteil sei bereits verkauft – für 2000 bis 2900 Euro pro Quadratmeter. Viele Käufer stammten aus dem Bergmann-Kiez, der durch den sechsgeschossigen Blockrand-Neubau südwärts erweitert werde. Zur Schwiebusser Straße hin sind Vorgärten geplant. Der grüne Innenhof soll durch Remisen für Gewerbe umschlossen werden. „Wir haben schon Nachfragen für Büronutzung, Physiotherapie und Webdesign“, sagt Rolfes-Poneß.

Während diese Branchen zum „stillen Gewerbe“ zählen, zieht das neue Wohnprojekt zu zwei bekanntermaßen lauten Nachbarn: C-Halle und C-Club, wie der neue Betreiber die Columbia-Häuser nennt, befinden sich nebenan. Es wäre bekanntlich nicht das erste Mal in Berlin, dass ein etablierter Veranstaltungsort Ärger mit ruhebedürftigen neuen Nachbarn bekommt. Aber Rolfes-Poneß berichtet von einer geplanten Schallschutzwand und von Gesprächen mit der Betreiberfirma Schulz-Veidt. Deren Geschäftsführer Norbert Döpp-Veidt bestätigt: „Die haben ein Problem, und wir bekommen eventuell ein Problem.“ Ein Schallgutachten sei in Arbeit und werde wohl beiden Seiten Auflagen machen: eine ausreichend hohe Wand für die Wohnanlage und eine Lüftungsanlage ohne Dachklappen für die C-Halle, beispielsweise. Einige Verbesserungen seien ohnehin mit der laufenden, 500 000 Euro teuren Hallenrenovierung verbunden, etwa eine Lkw-Zufahrt direkt zur Bühne, die lautes Be- und Entladen auf dem Hof vermeidet.

Die bisherigen Gespräche seien konstruktiv verlaufen, so dass man sich wohl ohne Rechtsstreit einig werde, heißt es auf beiden Seiten. Nur für Dornröschen wird der Kiez bald nicht mehr ruhig genug sein. Stefan Jacobs

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