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Berlin: Job-Center lässt Arbeitslose auf der Straße stehen

Lange Schlange vor neuem Kreuzberger Center für Langzeitarbeitslose Das Foyer ist zu viel zu klein – nun soll es vergrößert werden

Eigentlich ist heute zu, aber das Schild an der Glasschiebetür hat niemanden interessiert. Mittwochs „nur für Beratungen und Termine“ steht auf dem Schild.

Das Job-Center Friedrichshain-Kreuzberg in der Kochstraße hat trotzdem geöffnet. Gezwungenermaßen. Gegen acht Uhr am Morgen stehen 30, zeitweise 40 Arbeitslose vor der Tür. „Sie haben versucht, irgendwie reinzukommen. Manche über den Notausgang“, sagt ein Mitarbeiter. „Da haben wir aufgemacht.“ Der Mann lächelt, es sieht aus, als erwarte er Dankbarkeit. Man hat geöffnet.

Für viele, die ins Job-Center kommen, ist diese Art Lächeln ein Teil des Problems. Keine Arbeit, Hartz IV, ALG II, herablassend behandelt. So empfinden es viele, die an diesem Tag einfach mal auf gut Glück vorbeigekommen sind – wer weiß, ob man nicht doch einen Termin bekommt? Ein junger Mann aus Kreuzberg sagt: „In den Arbeitsagenturen und Job-Centern glauben doch einige, wir müssten alleine schon dafür dankbar sein, dass sie uns jetzt Kunden nennen.“ Er hat seine blonden Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Er war mal Maurer. Er sagt: „Na immerhin gibt es hier heute nicht so eine Monsterschlange wie gestern.“

Seit Dienstag erst werden die Langzeitarbeitslosen in der Kochstraße betreut, nicht mehr, wie zuvor, in der Linden- und Charlottenstraße. Gleich am Eröffnungstag des Job-Centers standen hunderte auf der Straße; nicht mehr nur sinnbildlich, sondern ganz real. Eine Schlange, mehr als hundert Meter lang – Menschen, die auf Hilfe warteten, auf Arbeit. Es regnete. „Das war so demütigend“, sagt eine Kreubergerin, 51. Sie ist nach einer Stunde gegangen und lieber heute wiedergekommen. „Um nicht von Passanten angegafft zu werden.“ Seit drei Jahren ist sie ohne Arbeit, sie hatte das Gefühl, man sieht ihr jeden Tag an. Im Foyer des neuen Job-Centers gibt es nicht genug Platz für die ALG-II-Empfänger. Behandelt man so seine Kunden? Das ist unglücklich, gibt auch der Chef des Job-Centers zu. „Das Foyer ist für einen solchen Andrang wie am Dienstag nicht konfiguriert. Wir werden versuchen, es zu vergrößern, damit niemand mehr vor der Tür warten muss“, sagt Stephan Felisiak. Er leitet das Job- Center.

Das Warten ist das eine, das andere ist: Wenn Elektronikmärkte eröffnen, stehen Kunden auch schon in frühen Morgenstunden zu Hunderten vor der Tür und warten darauf, eingelassen zu werden. Es macht ihnen nichts aus, sie wissen, dass sie etwas bekommen: Schnäppchen zum Beispiel. Job-Center-Kunden erwarten nicht mehr viel. Sie kennen die Zahlen: Im April hat das Job-Center in Friedrichshain-Kreuzberg 27000 Arbeitslose betreut – und 270 vermittelt. Einige davon in Ein-Euro-Jobs. Zudem, 477 Vermittlerstellen waren mal versprochen. Hundert sind noch unbesetzt. Ein Vermittler betreut 250 bis 300 Arbeitslose.

Marc Neller

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