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Berlin: Jobs in luftiger Höhe: Enge Kurvenführung am Himmel

Sie arbeiten in 30, 50 oder gar 100 Meter Höhe: Weil beim Sony Center die Scheiben schmutzig sind. Weil ein Kran aufgebaut werden muss.

Sie arbeiten in 30, 50 oder gar 100 Meter Höhe: Weil beim Sony Center die Scheiben schmutzig sind. Weil ein Kran aufgebaut werden muss. Oder weil eine Hochspannungsleitung den letzten Sturm nicht heil überstanden hat. Aufzug? Nein, danke. Der Tagesspiegel blickt in lockerer Folge mit den Höhenarbeitern auf die Stadt herab. Als nächsten Teil lesen Sie: Die Höhenrettungstruppe der Feuerwehr.

Sie arbeiten in 30, 50 oder gar 100 Meter Höhe: Weil beim Sony Center die Scheiben schmutzig sind. Weil ein Kran aufgebaut werden muss. Oder weil eine Hochspannungsleitung den letzten Sturm nicht heil überstanden hat. Aufzug? Nein, danke. Der Tagesspiegel blickt in lockerer Folge mit den Höhenarbeitern auf die Stadt herab. Als nächsten Teil lesen Sie: Die Höhenrettungstruppe der Feuerwehr.

20 Jahre lang putzt Thomas Jacob aus Hohenschönhausen die Fenster. Er wollte nie etwas anderes machen. Mit 15 fing er an, und wenn die Gelenke stillhalten, macht er weiter bis 65. "Jemand muss es ja machen." Also macht er es. Pflichterfüllung im Dienste der Transparenz.

Wenn Jacob durch Berlin fährt, sehen seine grünen Augen überall schmutzige Fenster. Auch in der Kneipe beim Bier. Das ist eine Art Berufskrankheit, aber nicht weiter schlimm. Schließlich gibt sie ihm Gewissheit, dass die Arbeit für Fensterputzer nie ausgehen wird. In drei Monaten ist die gleiche Glasfront wieder fällig. Drei Monate später wieder. Und immer so weiter. Der Auftraggeber DaimlerChrysler hat das so festgelegt, und der Staub von der viel befahrenen Straße gibt ihm Recht.

Im Haus Potsdamer Straße Nr. 7 auf dem Debis-Gelände stehen im Erdgeschoss die silbergrauen Prunkstücke aus der aktuellen Fahrzeugproduktion. Ein getrübter Blick könnte auch die Passion des Kunden drosseln. Dem ist mit allen Mitteln vorzubeugen. Deshalb schnallt sich Jacob von der Großberliner Reinigungs-Gesellschaft (GRG) in der Gondel fest, drückt auf den Aufwärts-Knopf und hebt ab.

Der Fahrkorb aus Aluminium baumelt freischwebend an vier Stahlseilen, die von einem schwenkbaren Kranausleger auf dem Dach hinaufgezogen werden. Damit die Gondel nicht an die Fassade kracht, muss per Hand ständig justiert werden. "Völlig ungefährlich", beruhigt Jacob. Ihm sei noch nie etwas passiert. Bei Hochhäusern laufen die Seile oft in Schienen, die an der Fassade befestigt sind. Doch viele Architekten lehnen solche Hilfsmittel aus ästhetischen Gründen ab. Nur Kran und Gondel werden akzeptiert, weil sie sich gut auf dem Dach verbergen lassen. Das Putzen selbst ist eine Sache von Sekunden. Aus einer Art Pumpgun-Pistolentasche am Gürtel zieht Jacob seinen Handwischer, taucht ihn kurz in Seifenlauge, fegt zick-zack über die Scheibe und zieht in enger Kurvenführung mit einem Fenstergummi das schmutzige Wasser ab. Kein Glasreiniger, kein Nachpolieren mit Zeitungspapier.

Jacob schwört auf seine Technik, trägt auch zu Hause fensterputzmäßig die alleinige Verantwortung. Seine Frau würde etliche Stunden dazu brauchen. "Fenster putzen ist nicht so einfach, wie viele denken", sagt Jacob. Die Kniffe und Tricks will er nicht so recht ausplaudern - die Konkurrenz liest schließlich mit, und der imageträchtige Potsdamer Platz ist für Gebäudereiniger ein Haifischbecken, wie GRG-Pressefrau Katrin Bauer durchblicken lässt. Für 3000 Quadratmeter Fensterfläche braucht Jacob zusammen mit einem Kollegen rund eine Woche. Um vier Uhr früh fangen sie an, mittags ist Feierabend. 40 Meter rauf bis aufs Dach und - um ein paar Meter verschwenkt - wieder 40 Meter herunter.

Nachts wird im Dämmerschein der Straßenbeleuchtung gearbeitet. Die Arbeit gefällt Jacob. Immer draußen, immer in Bewegung, immer die Stadtkulisse unter sich. Jacob arbeitet bei jedem Wetter. Wenn es unter Null geht, kommt eben Frostschutz in den Wassereimer. Fensterputzen härtet ab. Seit sieben Jahren kennt der Putzprofi die Grippe nur vom Hörensagen.

Und was ist mit einem gesunden Flirt auf Etage 9? Oder interessanten Beobachtungen auf der Chefetage? "Alles Ammenmärchen", sagt Jacob, "ich sehe immer nur Fernster". Voyeure hätten in dem Job nichts zu suchen. Ansonsten nimmt Jacob seiner Mitwelt kaum etwas krumm. Auch wenn er selbst niemals eine Glastür mit talgigen Fingern angrabschen würde, die Massen mögen es nur weiter tun. Zumindest bis er 65 wird.

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