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Gondwanaland Leipzig: Der Zoo in Leipzig gilt als einer der modernsten Tiergärten der Welt.

© Halina Hildebrand

Jörg Junghold: Der Masterplaner von Leipzig

Der Chef des Leipziger Zoos ist ein Quereinsteiger. Unter seiner Leitung ging der Park als Freizeitvergnügen und Touristenattraktion auf Erfolgskurs.

Von Susanne Leimstoll

28 Grad, 80 Prozent Luftfeuchtigkeit, in der Mitte ein Fluss für die ferngesteuerte Bootstour. Hängebrücken mit Blick auf Grotten und Lianen, 500 Sorten tropischer Pflanzen. Der Sprühnebel stiebt aus verborgenen Düsen, Urwaldgeräusche aus Lautsprechern in der schwülen Luft. Nicht nur das Tamadua-Faultier hat solvente Paten: Mercedes, Sparda, Golfclub. Riesenotter tollen am Schlangenfluss, Krokodile schichten sich am Ufer. Der schwarze, hoch giftige Komodowaran löst sich kurz aus seiner Starre. Ein Heim für 40 teils bedrohte Tierarten unterm Kunststoffhimmel. Afrika, Asien und Südamerika auf Erdwärmespeicher. Eine fast perfekte Illusion ohne sichtbare Barrieren, ein Hauch Disneyland neben Kleingärten an der Parthe, geöffnet seit Juli 2011. Der neue Hit des Touristenmagneten Leipziger Zoo.

Mit 1,73 Millionen Besuchern hatten sie für 2011 gerechnet. Es wurden 2,1. Dank Gondwanaland und dem Gesamtkunstwerk Zoo, das seit 1998 auf 27 Hektar und 850 Tierarten angewachsen ist. Menschenaffen-Reich (2001), Löwensavanne (2001), Lippenbärenschlucht (2002), Entdeckerhaus Arche und Tigertaiga (2003), Elefantentempel (2006). Zu den Miniatur-Kontinenten gehören Themen-Restaurants mit landestypischer Küche, gebucht von Gruppen, von Firmen, für Familienfeste und große Events. 560 Sonderveranstaltungen im Jahr. Der wichtigste Pächter ist Mövenpick.

Am Eingang neben den frisch erweiterten Parkhäusern restaurieren sie die Kongresshalle, einen lange ungenutzten Gründerzeitbau. Als Ableger der Messe Leipzig wird sie Tagungen mitten in die Stadt holen – und in den Zoo. Der finanziert das 30-Millionen-Projekt zu circa einem Viertel – ein eigenes Profitcenter.

Der Zoo – ein bedeutender Wirtschaftsfaktor für die 525 000-Einwohnerstadt Leipzig. Ein Freizeitpark, den ein Mann erfunden hat, der omnipräsent ist in den regionalen Medien und seit Oktober Präsident des Weltzooverbandes. Ein Doktor der Tiermedizin, der weiß, wie Werbung funktioniert, wie man Millionensummen eintreibt und sie mit Gewinn einsetzt. Wer Jörg Junhold, 47, nach seiner Vision fragt, bekommt einen Masterplan zur Antwort: „Wir wollen bis 2015 einer der führenden Zoos der Welt sein, die Freizeitattraktion in Mitteldeutschland und Partner der Wirtschaft. Mit Tieren, die Botschafter ihrer Art sind.“

Überzeugen kann er. Mit einem gewinnenden Lächeln übers ganze runde Gesicht. Mit offenem Blick, freundlicher Stimme, die doch nie Zweifel aufkommen lässt an seinem Durchsetzungswillen. Mit Ideen, strukturierten Konzepten und dieser Ausstrahlung hat er sie alle gekriegt, Entscheidungsträger und Geldgeber. „Mein heutiger OB sagt, ehrlich, als ich den Junhold kennenlernte, dachte ich, das ist ein Spinner.“ Heute schätzt Burkhard Jung, SPD, ihn zum Beispiel wegen seiner Verlässlichkeit.

Junhold ist ein Trommler. Seinem Unternehmen gönnt er eine Marketingabteilung mit elf Leuten. Der Zoo ist in der Stadt an jeder Plakatwand, jeder Tramhaltestelle, auf Tickets und Wegweisern präsent. Eine Spur messingfarbener Tiertatzen lotst Ortsunkundige vom Hauptbahnhof hin. Man kommt nicht vorbei am Großprojekt des Managers Jörg Junhold. Der brennt seit 15 Jahren für seine Idee vom Zoo der Zukunft.

Am Anfang stand ein Masterplan, angelegt auf 15 bis 20 Jahre. Kosten in dreistelliger Millionenhöhe für Leipzigs neue Attraktion, einen Zoo, der wachsen sollte. Junhold hat es geschafft, dass in 13 Jahren gut 100 Millionen investiert wurden – allein 66,8 davon für Gondwanaland – geschultert vom Land Sachsen, der Stadt Leipzig, regionalen Sponsoren und dem Zoo selbst, einer gemeinnützigen GmbH, die er als Geschäftsführer leitet. 20 Prozent der Investitionen sind kreditfinanziert, die Lasten verteilt. Leipzig subventioniert immer sparsamer, anfangs 40, jetzt jährlich 16 Prozent des Gesamtbudgets. Das belief sich 2010 auf gut 17 Millionen, die Ausgaben lagen bei 16,9. „Ich habe den festen Glauben, dass jedes gute Konzept eine Finanzierung kriegt“, sagt Junhold. „Wichtig ist, nicht zu sagen, Stadt, du hast einen Zoo, also zahl dafür.“

Der Brandenburger Junhold lernte bald nach der Wende bei einem Konzern, der die Hälfte des Umsatzes mit Tierfutter machte, Großprojekte auf den Weg zu bringen. Als er sich 1997 auf die Stelle des Zoodirektors in Leipzig bewarb, hatte er schon „mit Etats zwischen 30 und 40 Millionen jongliert“. Kein Biologe, ein Quereinsteiger. In Amerika ist das Usus, dort leiten Betriebswirte und Finanzleute die Tierparks. Für Jörg Junhold kein Problem. „Zoos sind kein teures Business. Wir sind gemeinnützig. Und haben einen ethischen Anspruch: Botschafter vom Aussterben bedrohter Tiere zu sein.“ Den nimmt er sehr ernst. Der Leipziger Zoo beteiligt sich mit 34 Arten seines Bestandes an europäischen Erhaltungszuchtprogrammen. Man denkt großzügig, lieber wird der Bestand reduziert, als Tieren nicht genug Raum zu geben. Zum Beispiel deshalb hält Leipzig keine Eisbären mehr. Bei allem Faible fürs Ambiente gilt für Junhold der Grundsatz, nie die Würde des Tieres zu verletzen. „Man kann daraus lernen, wie Disneyland Emotionen weckt. Themenrestaurants und Bootsfahrten sind für einen Zoo legitim. Eine Achterbahn aufzustellen nicht.“

Schon Junholds erstes Großprojekt im Zoo brachte Marketing und Wissenschaft unter einen Hut. Die Max-Planck-Gesellschaft suchte einen Partner für die Menschenaffen-Verhaltensforschung, das war der Einstieg in die Neugestaltung des Zoos. Es entstand: Pongoland. 1,5 Hektar, riesige Freiflächen, ein Innenbereich, dessen bemalte Betonwände Felsen simulieren, durch die sich ein spannender Besucherweg mit vielen Einblicken schlängelt. Nirgends Gitter, sondern natürlich anmutende Barrieren, vor allem: Wasser- und Trockengräben. Dieses Konzept prägt heute das gesamte Gelände, macht für Jörg Junhold den „Zoo der Zukunft“ aus: Eine Landschaft, die dem Betrachter freie Zugänglichkeit suggeriert. Da bleibt er bei einem seiner Rundgänge schon mal stehen, blickt auf sein Afrika und sagt: „Auf unsere Savanne bin ich noch heute stolz. Sie hat nur einen Fehler, ich hab’ mein Büro nicht hier rein verlegt.“

Der Zoodirektor Junhold gehört irgendwie allen. Eltern, die ihn beim Rundgang entdecken, schicken ihre Kinder mit ihren Fragen zu ihm. Mit Besuchern sitzt er gern mal auf der Terrasse der Kiwara-Lodge. Die wöchentliche Inspektionsrunde mit Kuratoren, Bereichsleitern, Tierärzten absolviert er in scharfem Tempo, aber wenn der Pfleger vom Känguru-Nachwuchs erzählen will – „N Kleenes hammer wieder im Beutel, s hat schon ema rausgeguckt“ – hat er Zeit für einen Plausch. Jörg Junhold rast von Telefonkonferenz zu Powerpoint-Präsentation, von heimischer Sitzung zum Übersee-Flug. Fliegende Wechsel: raus aus der grünen Jeansjacke mit Zoo-Logo, rein in den Anzug. Sein Zuhause, einen Vierseithof am Stadtrand, saniert er seit zehn Jahren. „Wenn ich abschalten will, leg ich selber Hand an. Ich bin auch gelernter Baufacharbeiter.“

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