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Berlin: Jüdische Gemeinde vor Neuanfang

In drei Wochen soll Vorstand gewählt werden – mit Lala Süsskind an der Spitze

Nach Monate langem Stillstand kann die Jüdische Gemeinde bald ihre Arbeit wieder aufnehmen. Am 30. Januar kommt die neue Repräsentantenversammlung zur konstituierenden Sitzung zusammen. Bei diesem Treffen wird ein neuer Vorstand und ein neuer Gemeindevorsitz gewählt. Mit aller Wahrscheinlichkeit wird dann erstmals eine Frau zur Vorsitzenden der größten jüdischen Gemeinde in Deutschland gekürt: Lala Süsskind. Die 61-jährige studierte Soziologin, die 18 Jahre lang die jüdische Frauenorganisation Wizo geleitet hat, konnte bei der Wahl Ende November mit ihrem Bündnis „Atid“ überraschend 13 der 21 Parlamentssitze gewinnen.

In den Monaten davor war wegen des Wahlkampfs kaum etwas vorangegangen. Nach der Wahl zögerte eine Wahlanfechtung den politischen Neuanfang der Gemeinde hinaus. Am Mittwoch bestätigte der Schiedsausschuss der Gemeinde, dass die Wahl rechtmäßig verlaufen ist. Mitglieder der unterlegenen Liste „Tachles“ um den bisherigen Vizechef Arkadi Schneiderman hatten die Wahl angefochten. Sie warfen unter anderem „Atid“ vor, bei der Aussendung von Werbematerial Mitgliederlisten der Gemeindeverwaltung benutzt zu haben. Außerdem bemängelten sie, dass ein Kandidat gegen die Gemeindesatzung verstoßen habe, weil er bei der Wahl antrat, obwohl sein Sohn kein Jude ist.

Der Schiedsausschuss kam zum Ergebnis, dass die Vorwürfe „nicht schlüssig“, „lebensfremd“ und irrelevant für den Ausgang der Wahl seien. Alexander Licht, der noch amtierende Finanzchef der Gemeinde, der ebenfalls für „Tachles“ angetreten ist, will dennoch „alle rechtlichen Wege prüfen“, wie er gestern sagte. Theoretisch könnten die Wahlanfechter vor das Berliner Verwaltungsgericht ziehen.

„Was lange währt, wird endlich gut“, sagte Lala Süsskind am Mittwochabend. Jetzt könne das neue Gemeindeparlament „beruhigt an die Arbeit gehen“. Sie und ihre Mitstreiter von „Atid“ wollten aber „das Rad nicht neu erfinden“. Die vorangegangenen Gemeinderegierungen hätten viel Sinnvolles beschlossen, das aber nie umgesetzt worden sei, zum Beispiel Kindergottesdienste. Das wichtigste Ziel aber sei die Einheit der seit Jahren zerstrittenen Gemeinde.

Sie habe nicht vor, die ganze Arbeit alleine zu machen, sagte Süsskind. Deshalb sollen am 30. Januar auch zwei stellvertretende Vorsitzende gewählt werden. Bisher gibt es nur einen Vizechef. Auch hoffe sie, dass sie weiter ohne großen Sicherheitsschutz auskommen werde. „Ich sehe gar nicht ein, dass ich auf einmal prominenter oder bedrohter geworden bin“, sagte Süsskind. „Ich habe keine Ängste.“ Claudia Keller

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