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Berlin: Jüdisches Paar in Abschiebehaft

Behörden bezweifeln Religionszugehörigkeit des Mannes. Beide sollen ausgewiesen werden

Sie war gerade aufgestanden, hatte nur einen Bademantel an, da klingelte es. Fassungslos starrte Olga Biloshytska die Polizisten an, die gestern um acht Uhr vor ihrer Tür standen, um sie festzunehmen. Die 36-jährige Frau hatte nur Zeit, sich anzuziehen, dann nahmen die Beamten sie mit. Ihr Mann Andrij war nicht zu Hause, sonst wäre auch er verhaftet worden. Um 18.35 Uhr hob die Maschine nach Kiew am Flughafen Tegel ab, mit der die Biloshytskas in die Ukraine abgeschoben werden sollten. Denn die Ausländerbehörde glaubt dem Ehemann nicht, dass er Jude ist. Da Olga und Andrij Biloshytska als jüdische Kontingentflüchtlinge nach Deutschland gekommen waren, hängt ihr Aufenthaltsrecht von ihrer jüdischen Identität ab.

Der Hintergrund ist ein Abkommen, das die Bundesrepublik 1991 mit den Ländern der ehemaligen Sowjetunion geschlossen hatte, wonach russische Juden in Deutschland Zuflucht finden konnten.

Die Biloshytskas reisten 2002 ein, Andrij erhielt in Hamburg eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis – und über ihn auch seine Ehefrau. Kurze Zeit später wurde Andrij die Aufenthaltsgenehmigung entzogen, die deutsche Botschaft in Kiew hatte nachträglich Zweifel an seiner jüdischen Identität. Anwälte legten Widerspruch ein. Der wurde abgewiesen, das Paar zur Ausreise aufgefordert.

„Auch wenn ich die Richter nicht überzeugen konnte, dass Andrij Biloshytska Jude ist, seine Frau ist es hundertprozentig“, sagte Anwältin Emmi Gleim-Msemo. Denn Olgas Mutter ist Jüdin. In der jüdischen Tradition wird die Religionszugehörigkeit über die Mutter an die Kinder weitergegeben. Die Mutter wohnt seit zehn Jahren als Kontingentflüchtling in Berlin, das junge Paar ist vor zwei Jahren zu ihr gezogen.

Da die junge Frau also unzweifelhaft Jüdin ist, hatte die Anwältin vor dem Berliner Verwaltungsgericht einen neuen Antrag zur Anerkennung der beiden gestellt. Obwohl das Verfahren noch läuft, habe die Ausländerbehörde einen Haftbeschluss erwirkt, das Datum der Abschiebung festgesetzt und das Flugticket gekauft, sagte die Anwältin – ohne ihr oder den Byloshytskas etwas mitzuteilen.

„Die Berliner Ausländerbehörde hat nur Amtshilfe geleistet, die Entscheidung über die Abschiebung hat Hamburg getroffen“, sagte die Sprecherin von Innensenator Ehrhart Körting (SPD). In Hamburg hieß es: Olga Biloshytska sei als Ehefrau eines jüdischen Immigranten eingereist. Da er abgeschoben werden soll, müsse auch sie ausreisen. Das neue Verfahren vor dem Berliner Verwaltungsgericht interessiert dort keinen. Die Anwältin konnte die Abschiebung gestern erstmal verhindern, Olga Biloshytska wurde von Tegel ins Abschiebegefängnis gebracht. Aus Solidarität kam auch ihr Mann am Abend dorthin.

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