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Für vier Tage nahmen die Jugendlichen im Bundestag Platz.

© dpa

'Jugend und Parlament': Polit-Profis in spe üben im Planspiel

Unter der Kuppel des Bundestages geht es hitzig zu: wie die Großen debattieren über 300 Jugendliche beim Planspiel "Jugend und Parlament". Viele Mini-Abgeordnete sind schon halbe Polit-Profis.

Auf den schwarzen Ledersofas vor dem Plenarsaal des Bundestages raunen sich zwei Mädchen die letzten Absprachen zu, nervös geht ein Junge seine Reden noch mal durch. Wo sonst nur Herr Steinmeier, Frau Künast und Co. ihre Reden schwingen, stehen an diesem Dienstag Jugendliche am Pult. Die Debatte im Plenarsaal ist der Höhepunkt des viertägigen Planspiels „Jugend und Parlament“, bei dem 312 Jugendliche in die Haut von Abgeordneten schlüpfen.

„Die Arbeit im Bundestag ist anstrengender als ich gedacht habe, debattieren um Kompromisse zu finden dauert sehr lange“, beschreibt die 20-jährige Berlinerin Maria Hartmann ihre Erfahrungen als Abgeordnete. Für diese Tage ist sie nicht eine blonde BWL-Studentin aus Spandau, sondern Aryan Koya, die 34-jährige Rechtsanwältin aus Nordrhein-Westfalen, Vorsitzende des Arbeitsausschusses der fiktiven Partei ÖSP. Ihre Mission: ein Gesetz gegen die Diskriminierung bei Bewerbungen durch den Bundestag bringen. Als Politikerin beginnt ihr neues Leben früh am Morgen, ihre Arbeitstage sind lang. „Meine Vorstellung des entspannten, Kaffee trinkenden Politikers sind endgültig zerschlagen“, sagt sie und lacht. 

Während der vier Tage erleben die Jugendlichen die Arbeit der Abgeordneten und den Gesetzgebungsprozess im Bundestag in komprimierter Form: sie diskutieren innerhalb ihrer Parteien, bilden Mehrheiten und stimmen anschließend über vier Gesetzesinitiativen im Plenum ab. Dazu wurden die 16 bis 20 Jahre alten Teilnehmer in fünf Fraktionen eingeteilt, dessen Namen nicht nur zufällig an die echten Bundestagsparteien erinnern. Auch die Verteilung der Sitze im Plenarsaal ist den echten Parteien nachempfunden. 

Bei der Endabstimmung im Plenarsaal werden heftige Debatten geführt, insgesamt 48 Redner aus allen Spielfraktionen versuchen Mehrheiten für ihre politische Linie zu finden. Wie ein Polit-Profi steht Vanessa Grifo (16) wild gestikulierend am Rednerpult. Zwischenfragen aus dem Plenum erlaubt die resolute Mannheimerin mit den braunen Locken nicht. „Ich bin gerade voll in meinem Element“, erwidert die 16-Jährige, auf die Frage des Vizepräsidenten des Bundestages, Wolfgang Thierse, der die Sitzung leitet. Sie geht vollkommen in ihrer Rolle als Abgeordnete Maria de Rosa auf. Zum ersten Mal nimmt auch eine gehörlose Teilnehmerin an der Simulation teil. Die Rede der 16-jährigen Clara Belz, die in die Haut der Linken-Abgeordneten Lara Friese geschlüpft ist, wird simultan übersetzt. Langer Applaus ist ihr, wie auch den meisten Rednern, sicher.     

Politische Reden zu schreiben und vorzutragen ist den Teilnehmern oftmals nicht fremd. Viele sind politisch in Jugendorganisationen der verschiedenen Parteien aktiv. Um am Planspiel teilnehmen zu können, muss man von einem Bundestagsabgeordneten vorgeschlagen werden. Frank-Walter Steinmeier, SPD-Fraktionsvorsitzender im Bundestag, unterstützt die Initiative: „Ich finde es toll, wenn Jugendliche zu uns Politikern kommen und nicht umgekehrt.“ Er pocht jedoch darauf, nicht nur bereits politisch interessierte Jugendliche zu fördern. „Hier sind natürlich viele Leute, die sich schon für Politik interessieren, die Anderen zu erreichen ist genauso wichtig“, sagt er.      

Ihren Freunden hat Maria Hartmann von diesem Ausflug in die Berliner Politikwelt viel zu erzählen. Nach vier Tagen nervenaufreibenden Diskussionen und Kompromissen hat Maria Hartmann zwar vergebens für ihren Gesetzesentwurf gekämpft. Er wird im Plenum abgelehnt. Jedoch plant sie, bald wieder in den Bundestag zu kommen. Diesmal jedoch als Praktikantin. Später selber einmal als Bundestagsabgeordnete zu kandidieren, kann sich die junge Berlinerin gut vorstellen. Auf dem blauen Abgeordnetenstuhl im Plenarsaal saß sie schon mal.   

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